Liebe auf den ersten Blick – für Ben Kraef war bereits mit 10 Jahren klar, dass er Saxophon lernen wollte: „Ich fand es immer ein sehr schönes Instrument, mit dem Goldlack, der so schön funkelt. Das hat mich begeistert zu der Zeit. Und natürlich die Fotos von vielen Jazzmusikern, zu denen man aufblickt, haben mich motiviert.“ Grund genug, um seine Leidenschaft zum Beruf zu machen und andere Menschen damit anzustecken – wie zum Beispiel im März bei Saxophonia.

So wurde Ben Kreaf in das Bundesjugendjazzorchester unter der Leitung von Peter Herbolzheimer aufgenommen und erhielt einen Studiumsplatz für Saxophon an der Hochschule für Musik Hanns Eisler in seiner Heimatstadt Berlin. Noch vor seinem Hochschulabschluss gewann Kraef diverse Preise, darunter den Yamaha Saxophone Contest und den Biberacher Jazzpreis. Nachdem der Musiker von Alt- zu Baritonsaxophon wechselte, ist inzwischen das Tenorsaxophon sein bevorzugtes Instrument.

Für seinen Master in „Jazz Performance“ zog es Kraef in die Hauptstadt des Jazz: New York.„Das hat mich schon immer fasziniert. Zu der Quelle der Musik zu fahren war für mich etwas, was ich auf jeden Fall machen musste. Zum einen, um die Musikszene vor Ort zu hören und bei den Leuten Unterricht zu nehmen, aber auch die Kultur, aus der heraus die Musik entstanden ist, kennenzulernen“, erzählt der Jazzmusiker über seine Zeit in Amerika. Aus seinem Auslandsstudium am City College of New York, das ein Stipendium des DAAD ermöglicht hatte, wurde schließlich ein fünfjähriger Aufenthalt. „Man bleibt schnell in New York hängen, weil man sehr reingezogen wird in diese Stadt. Die Zeit vergeht sehr schnell“, meint Kraef mit einem Schmunzeln.

Traumstadt New York?

Aber New York hat auch seine Schattenseiten: Hohe Mieten, Menschenmassen, Lärm und vor allem viel Konkurrenz. „Das ist natürlich eine Herausforderung und bringt einen zum Nachdenken. Wo finde ich meinen Platz? Was macht mich als Künstler aus? Was kann ich weiterentwickeln? Was will ich mit meiner Musik erreichen? Gleichzeitig kann das auch motivieren, an Dingen zu arbeiten.“ Gedanken, aus denen im Jahr 2010 schließlich das Debutalbum von Ben Kraef mit dem Titel „Berlin – New York“ entstand. Zwei Städte, die nicht nur gesellschaftlich und kulturell weltweit bedeutend sind, sondern auch persönlich für Kraef besonders prägend waren. Das Album nahm Kraef in klassischer Quartett-Besetzung in New York mit John Patitucci (Bass), Marcus Gilmore (Schlagzeug) und Rainer Böhm (Klavier) auf.

Saxophonist aus Leidenschaft und Überzeugung: Ben Kraef
Foto: Lena Ganssmann

Ein Bandprojekt mit Peter Weniger

Zurück in Deutschland arbeitete Kreaf mit weiteren renommierten Künstlerinnen, Künstlern und Bands zusammen, darunter die WDR und HR Big Band, Till Brönner, Tony Lakatos und Phil Woods. Auch mit dem deutschen Saxophonisten Peter Weniger entsteht neben einer langen Freundschaft ein gemeinsames Bandprojekt: Zwei Tenorsaxophonisten mit wechselnder Rhythmusgruppe aus Klavier, Bass und Schlagzeug. „Wir sehen uns klar in der Tradition von Besetzungen wie Dexter Gordon/Wardell Gray, Gene Ammons/Sonny Stitt oder Eddie „Lockjaw“ Davis/Johnny Griffin“, erzählt Kraef. „Und Peter ist jemand, dem auch die [amerikanische] Tradition wichtig ist, der gleichzeitig aber seinen eigenen Weg und seine eigenen Ausdrucksmöglichkeiten gefunden hat.“ Das zeigt sich auch im Programm der Band, das sich aus neu arrangierten Jazzstandards sowie eigenen Stücken zusammensetzt.

Neben ihren künstlerischen Tätigkeiten sind Peter Weniger und Ben Kraef auch als Dozenten tätig, etwa an der Universität der Künste Berlin und bei Saxophonia, dem Festival für Saxophon in der BDB-Musikakademie in Staufen. „Meine Kurse haben mit Improvisation zu tun und wie man seine Persönlichkeit über das Instrument ausdrücken kann. Wie man klingen möchte, seinen eigenen Sound findet und welche Stilmittel es dafür gibt“, erklärt der Saxophonist.

Jazz – Zwischen Intellekt und Gefühl

Für viele gilt Jazz inzwischen als Musikstil der Elite – eine komplexe Musik für reiche, weiße Menschen. Und das, obwohl der Jazz um 1900 seinen Ursprung in den armen Bevölkerungsschichten der People of Color hatte. Das sieht auch Ben Kraef als Herausforderung: „Sobald Musik institutionalisiert wird, besteht die Gefahr, dass sie auf einer Schiene unterwegs ist und entkoppelt wird vom Rest der Menschheit. Die Menschen wollen auf einem Konzert nicht ständig eine intellektuelle Ladung abbekommen, sondern auch eine emotionale. Das ist ein Problem, weil Jazz bei uns elitär wahrgenommen wird.“ Genau das will der Saxophonist mit seiner Musik ändern und mit dem Publikum auf Augenhöhe in Austausch kommen. „Für mich ist es wichtig, das Publikum abzuholen. Und wenn dann jemand zu mir kommt und sagt: ‚das ist das erste Jazzkonzert, auf dem ich war und das hat mir sehr gut gefallen‘, das ist eigentlich das schönste Kompliment.“

Julia Kesch