Mit 40 Jahren Dirigiererfahrung ist Peter Kleine Schaars eine absolute Koryphäe auf seinem Gebiet. Dieses umfasst jedoch nicht nur die E-Musik, sondern auch und vor allem die U-Musik – ein zu Unrecht vernachlässigtes Feld im Blasorchester, wie er findet. Er wird beim Festival der Orchesterleitung einen Workshop für Latin und Swing leiten und die Geheimnisse der U-Musik lüften.

Wenn man Peter Kleine Schaars fragt, was ihm bei seinem Kurs beim Festival der Orchesterleitung besonders wichtig ist, antwortet er sofort: „Die Teilnehmer sollen nachher besser wissen, wie man U-Musik spielt, als vorher.“ Die U-Musik liegt ihm als Dirigent und auch als Musiker besonders am Herzen – kein Wunder, immerhin spielt er Jazz, seit er 12 Jahre alt war, und hat sowohl Klassik als auch Jazzposaune studiert. Er sieht das Problem, das die U-Musik in Blasorchestern hat, generell darin, dass Dirigenten oft nur klassisch ausgebildet sind: „Wenn man Klassik studiert hat, denkt man in den Bahnen der E-Musik. U-Musik funktioniert aber ein bisschen anders“, erklärt er. Er selbst bezeichnet sich als „Profi in zwei Welten und dazwischen“, daher kann er die Seite der E-Musik verstehen, ihnen aber auch gleichzeitig die Seite der U-Musik vermitteln. Ein weiterer Grund dafür, dass er sich in beiden Welten so gut auskennt, ist, dass er 1989 direkt nach seinem Studium in der Marinekapelle der Niederländisch Königlichen Marine spielte – damals eines der besten Orchester der Welt, wie er sich erinnert. „Wir sind international getourt und haben sowohl Klassik als auch Unterhaltung gespielt“, erinnert er sich. „Die U-Musik war aber etwas altmodisch – immer noch ein bisschen im James-Last-Style“, schmunzelt er. Also begann er, selbst Arrangements zu schreiben, um beispielsweise Songs von Earth, Wind & Fire oder Phil Collins aufführen zu können, und kehrte für einen Master im Arrangieren und später auch Dirigieren kurz an die Universität zurück.

Weltweite Erfahrung – auch für Führungskräfte

Doch beim Orchester hielt es Kleine Schaars auch nicht für immer. Ab 2002 arbeitete er beim Verlag De Haske als Tonmeister und kümmerte sich um Demo-CDs für neue Ausgaben, eine Zeit, in der er viele Erfahrungen machte. „Ich bin weltweit rumgereist, Norwegen, Italien, Slowenien und und und. Manchmal war ich auch als Gastdirigent da“, beschreibt er seinen Arbeitsalltag. „Ich habe da sehr viel über Orchesterleitung gelernt, da ich ja unglaublich viele Orchester kennenlernen durfte.“ Sein Wissen über Orchesterleitung wendet Kleine Schaars auch in Workshops für Führungskräfte an. „Ein Orchester zu führen, bedeutet, ich bin einerseits der Chef, aber andererseits kann ich auch nichts erreichen ohne meine Musiker“, erklärt er. „Das ist wie in einem Unternehmen.“ In den Workshops zeigt er den Führungskräften, wie man sowohl mit Empathie als auch mit Nachdruck und Kreativität ein Orchester, oder in deren Fällen, ein Team, zu Höchstleistungen anspornt. Dabei dürfen die Teilnehmenden auch das Orchester dirigieren – mit teilweise überraschenden Momenten: „Mein Orchester ist faul“, grinst Kleine Schaars. „Sie machen nur das, was der Dirigent anweist. Wenn ein Dirigent die Hände nicht bewegt, dann spielen sie eben eine Fermate.“ Ein weiterer Faktor sei das direkte Feedback, das man durch die Musik von einem Orchester bekomme – ganz im Gegensatz zu Mitarbeitenden, wo es durchaus eine Weile dauern könne. „Man lernt unglaublich viel in einem Kurs“, findet er, „aber wir lachen auch sehr viel.“ Für Kleine Schaars sollte genau so viel Sorgfalt für die U-Musik verwendet werden wie für die E-Musik. „Für ein klassisches Stück proben wir Monate, machen Satzproben und verfeinern alles bis ins Detail. Aber für die U-Musik nehmen wir uns zwei Wochen und die letzte Viertelstunde der Gesamtprobe. Da stimmt doch was nicht“, findet er.

Mehr Tonleitern im Orchesteralltag

Wenn mehr Sorgfalt darauf verwendet würde, würden die Stücke auch besser klingen und mehr Anklang finden, meint er. Denn viele Blasmusikerinnen und -musiker könnten bestimmte rhythmische Figuren, die in der U-Musik verwendet würden, auch gar nicht spielen. „Das liegt einfach daran, dass sie nicht richtig geübt werden“, erklärt er. „Es ist wie mit Tonleitern. Es gibt nur 12 Tonleitern. Aber die meisten können nicht alle davon. Warum eigentlich nicht? Weil sie sie nicht brauchen. Die meisten haben mit der Zeit aufgehört, Neues zu lernen.“ Gerade das Rhythmusproblem ist für ihn ein wichtiges Thema: „Wir sind alle rhythmische Analphabeten“, lacht er. Mit seinen Orchestern macht er beispielsweise jede Woche eine Rhythmus- und eine Harmonieübung. „So kämpfe ich dagegen an.“ Wie man sein Orchester in der U-Musik richtig anleiten kann, gibt er gemeinsam mit einer Menge Techniken und Tricks an die Workshopteilnehmenden beim Festival der Orchesterleitung weiter. „Als Dirigenten sind wir verpflichtet, die Musiker zu lehren, besser zu werden“, findet er. „Wenn man gute Arbeit leistet, verbessern sich alle gemeinsam – und das ist doch einfach schön.“

Monika Müller