Kinder für Musik zu begeistern, ist heute wichtiger denn je. Mit der Einführung des Ganztagsförderungsgesetzes (GaFöG) ab 2026 verändert sich der Alltag an den Grundschulen jedoch grundlegend. Für Musikvereine bedeutet das: weniger Freizeitfenster am Nachmittag – aber auch die große Chance, direkt in den Schulen präsent zu sein und Kinder frühzeitig ans Musizieren heranzuführen. Wie Vereine diese Chance nutzen können, das zeigt der Zukunftsdialog der BDB-Musikakademie am Sonntag, dem 12. Oktober auf.

Warum ist der Ganztag für Vereine wichtig?
Die Antwort auf diese Frage liegt schon im Namen des Gesetzes. Ausdrücklich ist darin von Förderung und nicht von Betreuung die Rede. Zwar soll das Gesetz der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf dienen. Gleichzeitig sollen aber – durch den expliziten Anspruch auf Förderung – auch die Kinder von einer verlässlichen ganztägigen Betreuung profitieren. Auch die Teilhabechancen von allen Kindern sollen durch das GaFöG verbessert werden. Es geht beim GaFöG darum, möglichst viele Kinder – auch aus prekären Familienverhältnissen – zu erreichen. Deshalb müssen die Angebote innerhalb des Ganztags für die Erziehungsberechtigten der Kinder kostenfrei sein. Um dem Anspruch auf Ganztagsförderung gerecht zu werden und sinnvolle Bildungsangebote zu gestalten, sind Bildungspartner gefragt, die von Bund und Ländern bereitgestellte finanzielle Mittel in sinnvolle Angebote überführen. Und hier kommen die Vereine der Amateurmusik ins Spiel.

Was sind die Chancen für Vereine?
Viele Vereine haben die Chancen bereits erkannt. Diese liegen in der Kooperation mit den Grundschulen. Die Grundschulzeit bietet den Kontakt zum musikalischen Nachwuchs. Deshalb gestalten Musikvereine etwa Bläserklassen, Blockflöten- und Rhythmusgruppen, um Kinder an die Musik heranzuführen und so den Nachwuchs für ihren Verein zu stärken. Wer dies noch nicht durchführt, sollte dringend damit beginnen. Aktuell stehen alle Türen weit offen. Wer den Anschluss jetzt verpasst, erhält später eventuell keine Möglichkeit mehr.

Mit dem Anspruch auf Ganztagsförderung erhöht sich die Verweildauer der Kinder in der Schule in den Nachmittag hinein, während die Freizeit, in der Instrumentalunterricht und Ensembleproben möglich sind, gleichzeitig zu einem schmaleren Zeitfenster zusammenschmelzen. Zudem gibt es für die Betreuungstage pro Jahr nur vier Wochen Schließzeiten, sodass die Vereine auch in den Ferien sinnvolle Angebote unterbreiten können. Umso wichtiger ist es, dass Vereine jetzt mit ihren Angeboten im Ganztag vertreten sind. „An den Grundschulen verweilen alle Kinder verlässlich über vier Jahre. Dies ist ein Lebensabschnitt voller Möglichkeiten, um Kinder an das Musizieren heranzuführen“, betont Akademieleiter Christoph Karle und ergänzt: „Im Rahmen des GaFöG können alle Kinder der Grundschule mit vielfältigen musikalischen Bildungsangeboten erreicht werden.“ Über den Ganztag können so Kinder Zugang zu Musik erhalten, die sonst keine Berührungspunkte mit Musik oder dem örtlichen Musikverein haben. Vor allem für sozial benachteiligte Kinder oder Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund ist das von großem Vorteil. Und Vereine können sich – indem sie im Ganztag niederschwellige Zugänge zur Musik schaffen – als musikalischer Bildungspartner etablieren, auf den Familien zurückkommen, wenn das Interesse an tiefergehenden musikalischen Angeboten geweckt ist.

Chance einer Verstetigung
Innerhalb der GaFöG-Entwicklung besteht zusätzlich die Chance einer Verstetigung der Zusammenarbeit mit den Schulen: Vereinsarbeit gehört zum Portfolio der Schule – ohne Vereine geht’s nicht mehr. Zudem gewinnt die Vereinslandschaft an Bekanntheit in der Kommune vor Ort sowie im politischen Standing.

Ganztagsförderungsgesetz (GaFöG): Das Gesetz kurz erklärt
Nach dem neuen Gesetz zur ganztägigen Förderung von Kindern im Grundschulalter, dem Ganztagsförderungsgesetz (GaFöG) vom 2. Oktober 2021, sollen ab August 2026 zunächst alle Kinder der 1. Klasse Anspruch auf ganztägige Förderung in einer Tageseinrichtung haben. Ob der verpflichtende Ganztag an drei oder vier Tagen pro Woche stattfindet und ob das Angebot an diesen Tagen dann eine Betreuung von sieben oder acht Stunden umfasst – das ist eine Entscheidung des Schulträgers, der Kommune. Aus Sicht der Erziehungsberechtigten ist die Ganztagsbetreuung eine Option, die sie für ihr Kind in Anspruch nehmen können oder auch nicht.

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Die aktuellen Planungen sehen vor, dass das GaFöG ab dem Schuljahr 2026/2027 mit Beginn der 1. Klasse startet und dann jährlich ausgeweitet wird, sodass ab dem Schuljahr 2029/30 schließlich alle Grundschulkinder diesen Anspruch haben. Praktisch bedeutet das, dass spätestens ab dem Schuljahr 2029/30 alle Grundschüler an den Werktagen Anspruch auf ganztägige Förderung in einer Tageseinrichtung haben. Hierzu gehören die Unterrichtszeit sowie die sich anschließenden Angebote der Ganztagsschulen.

Wie sieht es in den Ferien aus?
Der Rechtsanspruch auf Ganztagsförderung gilt auch in den Ferien. Ausgenommen ist lediglich ein Zeitraum von maximal vier Wochen in den Schulferien. Die Schließzeit während der Schulferien dürfen die Länder selbst regeln. Für Baden-Württemberg wird eine entsprechende Regelung vom Kultusministerium gerade vorbereitet.

Um dem Anspruch auf Ganztagsförderung auch in den Ferien gerecht zu werden, braucht es ebenfalls Vereine und Akteure, die ein entsprechendes Ferienangebot bereitstellen. Hier können sich Vereine von Anfang an ins Spiel bringen, in der unterrichtsfreien Zeit ein Ferienangebot für Schülerinnen und Schüler gestalten und so Teil eines Betreuungsangebots in kommunaler oder freier Trägerschaft nach § 8b Schulgesetz werden.

Wie sind die Finanzierung und Kostenstruktur?

Zur Umsetzung des Ziels einer Ganztagsförderung für Grundschulkinder setzt der Bund 3,5 Milliarden Euro für Investitionen in ganztägige Bildungs- und Betreuungsangebote ein. Die Länder müssen sich mit mindestens 30 Prozent am Gesamtvolumen beteiligen. Zusätzlich unterstützt der Bund die Länder bei der Finanzierung der laufenden Betriebskosten. Was kann aus diesen Mitteln konkret gefördert werden? Das Gesetz gibt darauf folgende Antwort: Gefördert werden können „zusätzliche investive Maßnahmen der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände zum quantitativen oder qualitativen Ausbau ganztägiger Bildungs- und Betreuungsangebote. Förderfähig sind demnach sowohl Investitionen für den Neubau, den Umbau, die Erweiterung, die Ausstattung sowie die Sanierung der kommunalen Bildungsinfrastruktur, die der Bildung und Betreuung von Kindern im Grundschulalter dienen, soweit dadurch Bildungs- und Betreuungsplätze oder räumliche Kapazitäten geschaffen oder erhalten werden, um eine zeitgemäße Ganztagsbetreuung zu ermöglichen“ (SGB VIII, §3), als auch die Betreuungsangebote selbst. Denn die Betreuungsangebote selbst müssen für die Erziehungsberechtigten kostenfrei sein. Das heißt, es dürfen keine zusätzlichen Entgelte bei den Teilnehmenden der Angebote erhoben werden. Die Lehrkräfte, die beispielsweise eine Flötengruppe anleiten oder Percussion-Unterricht geben, müssen vom Verein oder der Kommune über die Monetarisierungsgelder bezahlt werden.

Wichtig: Die Schulen haben dazu gemäß § 4a Schulgesetz die Möglichkeit, monetarisierte Stunden beim Land zu beantragen – also eine gewisse Anzahl an Stunden ausbezahlt zu bekommen, um so außerschulische Partner wie Vereine zu bezahlen.

Wer darf Angebote im Rahmen des GaFöG machen?
Rechtsgrundlagen für die Antwort auf diese Frage sind neben der Ganztagsgrundschulverordnung, dem § 4a des Schulgesetzes und der Verwaltungsvorschrift Ganztagsgrundschule. Darin werden u. a. Vereine, Verbände und Organisationen als mögliche außerschulische Partner genannt. Voraussetzung für die Zusammenarbeit ist eine schriftliche Kooperationsvereinbarung. Entsprechende Formulare und Vorlagen für eine Kooperationsvereinbarung werden den Schulleitungen vom Kultusministerium zur Verfügung gestellt.

Außerschulische Akteure können auch selbst Träger von Betreuungsangeboten sein oder aber über Vereinbarungen mit den Trägern (der Kommune) von Betreuungsangeboten in deren Auftrag in Betreuungsangeboten tätig sein.

Welche Qualifizierung müssen Personen haben, die Angebote im Rahmen des GaFöG machen?
Es steht außer Frage, dass Personen, die eine pädagogische Ausbildung analog den Lehrkräften der Grundschule absolviert haben, Angebote im Ganztag durchführen können. Grundsätzlich sind für die Ausgestaltung des Angebots sowie für die Fortbildung des Personals die jeweiligen Träger verantwortlich. Aktuell entwickelt der Landesmusikverband BW in Kooperation mit dem Landesverband der Musikschulen ein Weiterbildungskonzept, um Personal fortzubilden und für ein Engagement im Ganztag zu qualifizieren. Weitere Details hierzu folgen. Die Vereine der Amateurmusik werden vom BDB und dem Landesmusikverband auf dem Laufenden gehalten. Alle Musikvereine erhalten unter www.bdb-online.de Informationen zu den Fortbildungen im Rahmen des GaFöG.

LMV/Christoph Karle

Was Vereine jetzt tun können?

Nachstehend ein Auszug aus der Fragenübersicht. Die vollständige Checkliste und Anleitung aller relevanten Fragen sind unter www.bdb-zukunftsdialog.de aufgeführt.

Vereine sollten frühzeitig an ihre eigene Kommune herantreten und sich ein Bild vom Planungsstand zum Thema Ganztag vor Ort machen. Dabei helfen u. a. folgende Fragen:

  • Welche Ganztagsform wird gewählt?
  • Welcher Ganztagsrhythmus wird gewählt?
  • Ist der Verein schon Kooperationspartner mit Angeboten in der Schule?

Ist der Verein kein Kooperationspartner, sollte er zeitnah in Kontakt mit der Kommune treten.

  • Wie können die Vereinsangebote in den Schulen untergebracht werden? Und wie kann ein Stundenplan und/oder ein Betreuungsplan aussehen?
  • Ist es möglich, über die von der Schule erhaltenen Stundensätze qualifizierte Musiklehrerinnen und -lehrer zu bezahlen?
  • Fördert die Kommune die Betreuungs-, Ferien- und Bildungsangebote der Vereine?

Für konkrete Gespräche mit Schulen oder der Kommune müssen sich Vereine folgende Fragen zur Vorbereitung stellen:

  • Zu welchen Zeiten können wir Personal für die Betreuung stellen? Wann kann das Angebot im Ganztag stattfinden?
  • Wo kann der Unterricht/die Probe stattfinden? Auch außerhalb des Schulgeländes (im Vereinsheim, in der Musikschule)?
  • Welche Ferienangebote oder Bildungsangebote können wir machen? Bläserklassen? Musicalprojekte? Sonstiges?
  • Arbeiten wir mit der Musikschule oder eigenen Lehrkräften zusammen?
  • Erhalten Vereine Monetarisierungsgelder von der Kommune, um die Verlässlichkeit zu gewährleisten?
  • Können Kooperationen mit anderen Vereinen vor Ort geschlossen werden, um die Verlässlichkeit zu garantieren?
  • Welche Qualifikation haben unsere Ehrenamtlichen? Sind diese ausreichend, um im Rahmen der Betreuungszeiten Angebote machen zu können.

Viele Fragen – viele Chancen:

Antworten darauf gibt der Zukunftsdialog der BDB-Musikakademie am 12. Oktober 2025. Dort zeigen Experten wie Gert Balzer, Sonja Oellermann, Rainer Falk und Cesar Masano Cavaloti praxisnah, wie Musikangebote im Ganztag gelingen können. www.bdb-online.de/zukunftsdialog/

Die Experten / Speaker beim Zukunftsdialog 2025