Nach erfolgreichem Auftakt geht das Werttunsspiel vor Ort nun in eine neue Runde. „Aus meiner Sicht ist das ein sehr gelungenes Projekt“, ist Bundesmusikdirektor Matthias Wolf überzeugt. Die Resonanz bestätigt das. Bis zum 31. Dezember 2024 können sich Orchester nun um einen Termin im ersten Halbjahr 2025 bewerben und so Konzert und Wertungsspiel gewinnbringend mit einander verbinden.

“Wenn der Berg nicht zum Prophet kommt, muss der Berg zum Propheten kommen”. Auf dieses alte Sprichwort  haben sich wohl die Mitglieder im Musikbeirat besonnen. In dem Bestreben, Wertungsspiele für Vereine attraktiver zu machen und Orchester zur Teilnahme zu motivieren, haben sie das Wertungsspiel vor Ort entwickelt. Es basiert auf der Idee, dass Orchester nicht zum Wertungsspiel hinfahren müssen. Stattdessen kommt die Jury zu den Orchestern und bewertet im Rahmen eines Konzerts zwei vorab ausgewählte Stücke nach den Kriterien der Wertungsspielordnung des BDB. Vorgaben gibt es kaum: Die beiden zu bewertenden Stücke müssen im Programm hintereinander liegen und das Konzert in einer Halle stattfinden. Das ist alles.
Noch am Konzertabend werden die Bewertung und das erreichte Prädikat bekannt gegeben, so dass das Publikum mitfiebern und die Bewertung nachvollziehen kann. Das Beratungsgespräch erfolgt dann in einer der nächsten Orchesterproben. Das gibt der Jurorin bzw. dem Juror nicht nur Zeit, sich ausführlich Gedanken zu machen, wie das Orchester weiterentwickelt werden kann; in der Probe können Verbesserungsvorschläge vielmehr direkt ausprobiert werden. Das Orchester und die Dirigentin oder der Dirigent erhalten so viel mehr Input und Beratung zu allen musikalischen Parametern des Konzerts. Dass das Konzept aufgeht, das unterstreichen die Erfahrungen aus der Pilotphase und den ersten beiden Runden. Der Musikverein Völkersbach jedenfalls machte nur die besten Erfahrungen. Nach jahrelanger Wertungsspielabstinenz entschloss sich das Orchester zur Teilnahme, integrierte das Wertungsspiel in sein traditionelles Frühjahrskonzert und fügt ihm so eine neue Komponente hinzu: Spannung. Und so war nicht nur das Wertungsspielt eingebettet in das abendfüllende Konzertprogramm. Auch die  Jury aus Bundesmusikdirektor Matthias Wolf und Markus Mauderer war mit ihrem Jurorentisch mitten im Publikum platziert.

Überzeugt vom Konzept: Der Musikverein Völkersbach.

Nachdem das Jugendorchester den musikalischen Auftakt gestaltet hatte, eröffnete das Hauptorchester unter der Leitung von Roland Kopp mit dem Konzertmarsch „Arsenal“ von Jan van der Roost sein Konzertprogramm. Direkt danach wurde es ernst. Nahm das Orchester doch mit den beiden aufeinander folgenden Konzertstücken „Imagasy“ von Thiemo Krass und „Schmelzende Riesen“ von Armin Kofler am Wertungsspiel vor Ort teil. Am Ende waren sich die Juroren einig, dass der Vortrag des Orchesters das Prädikat „sehr gut mit Stern“ verdiente – ein Ergebnisses, das im Konzertsaal einen Jubelsturm entfachte. „Es war eine Riesenstimmung in der Halle und auch für uns Juroren ein schönes Erlebnis“, fand Matthias Wolf.
Dass die Wertung nicht im stillen Kämmerlein, sondern öffentlich vor Publikum verkündet wurde, kam, laut der Vereinsvorsitzenden Carina Kunz, beim Publikum sehr gut an. Beides war ausdrücklicher Wunsch der Verantwortlichen. „Wir wollten unser Publikum nicht hinhalten oder auf die Folter spannen“, erklärte Dirigent Roland Kopp. Spannend war es für das Publikum aber gleichwohl. Matthias Wolf gab dem Publikum interessante Einblicke in die Bewertung und die zugrunde liegenden Kriterien. „Dank der Reduktion der Bewertungskriterien wird die Bewertung transparent, schlüssig und für jedermann verständlich, selbst für unerfahrene Konzertbesucher“, erläuterte Juror Markus Mauderer.

Für alle Beteiligten eine runde Sache und eine tolle Erfahrung

Und so wurde das Wertungsspiel vor Ort für alle Beteiligten zu einer runden Sache und tollen Erfahrung. „Den Musikerinnen und Musikern hat es gefallen, dass das Publikum so mitgefiebert hat“, sagte Vereinsvorsitzende Carina Kunz. „Und das Publikum seinerseits war begeistert, dass es das Wertungsspiel und die Verkündigung der Wertung live miterleben konnte.“ Das eigentliche Beratungsgespräch fand indes erst in einer der darauffolgenden Proben statt – eine gute Sache und positive Erfahrung, auch für den Juror Matthias Wolf. „Es gab nicht die übliche Hektik zwischen Jurorentisch und Beratungsgespräch. Vielmehr konnte ich mir die Zeit nehmen und das Gespräch gezielt vorbereiten, um die Musikerinnen und Musiker mitzunehmen.“ Bei den Musizierenden kam das sehr gut an. „Das Beratungsgespräch hatte etwas Persönlicheres. Es war nicht die übliche Abfertigung in den zehn Minuten zwischen zwei Vorträgen, sondern ein sehr angenehmes Gespräch“, berichtet Carina Kunz. „Die Musikerinnen und Musiker haben sich total wertgeschätzt gefühlt, dass Matthias Wolf für das Beratungsgespräch extra noch einmal hergefahren ist.“ Zum Gefühl der Wertschätzung hat bei den Musizierenden laut Carina Kunz auch beigetragen, dass das Orchester nicht einfach die Partitur mit angestrichenen Mängeln zurückerhielt, sondern Matthias Wolf ausführlich aufzeigte, wo das Orchester noch Potenzial habe. „Diese neue Sichtweise hat eine sehr positive Stimmung für das Thema Wertungsspiel erzeugt“, zeigte sich Carina Kunz überzeugt.

Genau das richtige Konzept gegen Wertungsspiellethargie

In ihren Augen ist „Wertungsspiel vor Ort“ deshalb genau das passende Konzept gegen die Wertungsspiellethargie in den Orchestern. Dirigent Roland Kopp konnte das nur bestätigen. Konnte er doch an seinen Musikerinnen und Musikern den Stimmungswandel beobachten und nachvollziehen, wie sich Vorbehalte gegen das Thema Wertungsspiel in eine breite Akzeptanz verwandelten. Ausschlaggebend waren aus seiner Sicht vor allem zwei Aspekte: die Tatsache, dass das Publikum live dabei ist, sowie die Möglichkeit, mit dem Wertungsspiel vor Ort zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. „Die Musikerinnen und Musiker müssen nicht zusätzlich zum Jahreskonzert noch einmal auf einen Höhepunkt hinarbeiten, was ja manchmal auch gar nicht in die Jahresplanung mit Sommerprogramm, Jahres- und Kirchenkonzert passt“, wusste Roland Kopp.  Und wie war das Stimmungsbild unter den Musizierenden? Die waren einhellig der Meinung: „Das können wir ruhig wieder einmal machen!“

Text: Martina Faller