Die Pandemie hat nicht nur viele Organisationen vor ganz neue Herausforderungen gestellt, sie hat auch die Tür für einen gewaltigen Digitalisierungsschub in vielen Vereinen geöffnet.
Die Durchführung formaler Veranstaltungen wie der Mitgliedersammlung in digitaler oder hybrider Form (an denen ein Teil der Mitglieder in Präsenz und der andere Teil gleichzeitig online teilnimmt) ist für manche inzwischen selbstverständlich geworden.

Mit dem „Gesetz zur Ermöglichung hybrider und virtueller Mitgliederversammlungen im Vereinsrecht“ hat der Gesetzgeber Anfang 2023 den Weg dafür frei gemacht. Bis dahin galt, dass ohne eine entsprechende, ausdrückliche Satzungsregelung keine virtuelle Hauptversammlung durchgeführt werden durfte. Inzwischen regelt der § 32 Abs. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): „Bei der Berufung der Versammlung kann vorgesehen werden, dass Mitglieder auch ohne Anwesenheit am Versammlungsort im Wege der elektronischen Kommunikation an der Versammlung teilnehmen und andere Mitgliederrechte ausüben können (hybride Versammlung). Die Mitglieder können beschließen, dass künftige Versammlungen auch als virtuelle Versammlungen einberufen werden können, an der Mitglieder ohne Anwesenheit am Versammlungsort im Wege der elektronischen Kommunikation teilnehmen und ihre anderen Mitgliederrechte ausüben müssen. Wird eine hybride oder virtuelle Versammlung einberufen, so muss bei der Berufung auch angegeben werden, wie die Mitglieder ihre Rechte im Wege der elektronischen Kommunikation ausüben können.“ Im Klartext: Das einberufende Organ, also in der Regel der Vorstand, kann alleine entscheiden, dass die nächste Versammlung als hybride Versammlung durchgeführt wird. Oder aber er lässt sich per Mitgliederbeschluss dazu ermächtigen, zukünftige Versammlungen auch ausschließlich virtuell durchführen zu dürfen.

Die Durchführung einer virtuellen Mitgliederversammlung ist einfacher und klappt besser, als es sich viele auf den ersten Blick vorstellen können. Und mit der digitalen Technik kommen auch jede Menge neue Chancen. Zum Beispiel lassen sich sogenannte vulnerable Gruppen oder Menschen, die vielleicht nicht so mobil sind, viel besser einbinden, als dies bei einer Präsenzversammlung der Fall wäre. Dies betrifft gerade ältere, kranke oder einfach nicht sonderlich mobile Menschen, die zum Beispiel kleine Kinder zu Hause oder kein eigenes Fahrzeug haben. Tatsächlich lässt sich häufig beobachten, dass bei Online-Versammlungen sogar mehr – und zum Teil auch andere – Mitglieder teilnehmen als bei den früheren Präsenzveranstaltungen. Viele haben sich inzwischen mit den Möglichkeiten der Online-Kommunikation auseinandergesetzt und sind digital fit geworden. Insbesondere sogenannte hybride Versammlungen setzen sich immer mehr durch. Eine gute Vorbereitung und sorgfältige Auseinandersetzung mit dem Online-Thema ist Pflicht. Zunächst gilt es die Frage zu beantworten, welches Online-Konferenztool genutzt werden soll und warum. Dazu sollte der Verein seine Anforderungen an das Tool definieren, insbesondere:

  • Wie viele Personen werden voraussichtlich teilnehmen?
    Um die Teilnehmendenanzahl einschätzen zu können, macht es durchaus Sinn, um Anmeldung zu bitten. Trotzdem darf es – genau, wie bei einer Präsenzversammlung – nicht passieren, dass ein teilnahmeberechtigtes Mitglied nicht teilnehmen kann, weil der Raum voll ist. Die richtige Dimensionierung des virtuellen Raums ist daher essenziell.
  • Welche Funktionalitäten werden benötigt?
    Praktisch alle Tools bieten die für Versammlungen wichtigen Optionen, Ton und Video zu übertragen, den eigenen Bildschirm zu teilen sowie Nachrichten im Chat auszutauschen. Andere Funktionen wie das Heben der virtuellen Hand (z. B. für Wortmeldungen), Umfragen oder Gruppenarbeitsräume (Breakout-Rooms) sind nicht bei allen Anbietern verfügbar, werden aber vielleicht auch nicht benötigt. Für welches Konferenztool Sie sich auch entscheiden: Für Ihre Hauptversammlung sollten Sie niemals eine kostenlose Testversion nutzen! Kostenlose Versionen haben praktisch immer irgendwelche Einschränkungen, welche Ihnen dann genau bei Ihrer wichtigsten Veranstaltung auf die Füße fallen könnten. Bei sogenannter Open-Source-Software wie Jitsi oder Big Blue Button liegt die Sache etwas anders, aber auch hier sind öffentliche Server, welche vom Anbieter in erster Linie zu Testzwecken eingerichtet werden, keine gute Idee. Die Grundeinstellungen jedes Programms müssen stets an die eigenen Bedürfnisse angepasst werden. Welche Rechte sollen Teilnehmende und Helfende erhalten? Sollen sie z. B. selber ihre Kameras und Mikrofone anund ausschalten dürfen? Dürfen Nachrichten im Chat an andere Teilnehmende geschickt werden oder nur an die Versammlungsleitung? Es hat sich extrem bewährt, vor der Versammlung Übungstermine anzubieten, bei denen sowohl die Akteure der Veranstaltung (z. B. der Vorstand) als auch die Teilnehmenden die verwendeten Tools kennenlernen und ihre eigene Technik ausprobieren können. Trotzdem empfiehlt es sich, am Versammlungstag die Türen zur Veranstaltung frühzeitig zu öffnen, damit auch technisch weniger erfahrene Teilnehmende genug Zeit haben, sich bis zum offiziellen Beginn mit den Gegebenheiten vertraut zu machen. Die Versammlungsleitung selbst funktioniert online fast wie im richtigen Leben – nur anders. In aller Regel benötigen Sie online mehrere helfenden Hände, da mangels Routine die Übersicht schnell verloren gehen kann.
    Hierfür können Sie Rollen an Dritte vergeben, z. B.:
  • Empfang und Einlasskontrolle
    Bereits beim Empfang – möglichst in einem virtuellen Warteraum – sollte die Identität der Teilnehmenden überprüft und dokumentiert werden.
  • Technischer Support
    Vor und während der Versammlung sollte stets ein Ansprechpartner – auch telefonisch – verfügbar sein, um Teilnehmende bei technischen Fragen und Problemen zu unterstützen.
  • Community Management
    Jemand sollte Fragen und Wortmeldungen der Teilnehmenden im Blick behalten, eine entsprechende Rednerliste führen und ggf. die Teilnehmenden freischalten, wenn sie an der Reihe sind. Wortmeldungen können sowohl per Handhebe-Funktion als auch über den Chat erfolgen.

Eine besondere Rolle spielt das Thema Abstimmungen und Wahlen bei virtuellen Versammlungen. Hierbei gilt es, einiges zu beachten. Insbesondere sollte Sie sicherstellen, dass jeder, der abstimmt, auch dazu berechtigt ist. Online-Wahlen dürfen nicht manipulierbar sei, und bei geheimen Wahlen darf das Abstimmverhalten für niemand – also auch nicht für die technische Administration – nachvollziehbar sein. Kleinere Vereine führen ihre Online-Wahlen häufig genauso wie bei Präsenzveranstaltungen durch: per Handheben. Kamera an und Hände hoch funktioniert allerdings dann nicht, wenn es entweder zu viele Teilnehmende sind oder wenn einige Teilnehmende schlicht nicht über Kameras verfügen. Hier kommt wieder die virtuelle Hand ins Spiel, aber denken Sie daran: Die Versammlungs- bzw. Wahlleitung muss zu jeder Zeit sicherstellen, dass auch die richtige, nämlich die abstimmberechtigte Person hinter dem Bildschirm sitzt.

Komplizierter wird die Angelegenheit, wenn geheime Wahlen anstehen. Hierfür müssen in aller Regel externe Plattformen bzw. Programme genutzt werden, was dann auch schnell ins Geld gehen kann. Um auch hier für maximale Sicherheit zu sorgen, sollte das genutzte Programm zum einen in der Lage sein, individuelle Zugänge inkl. Passwörter für jeden Teilnehmenden zu erzeugen. Zum anderen muss bei einer geheimen Wahl das System selber eine Trennung von Teilnehmendendaten und Abstimmverhalten vornehmen. Es kann also lediglich nachvollzogen werden, wer abgestimmt hat, aber nicht, wie diese Person abgestimmt hat. Hierfür eignen sich – mit Einschränkungen – datenschutzkonforme Umfragetools wie z. B. die Zoomeigenen Umfragen, LamaPoll oder SurveyMonkey. Ein zwar komplett kostenloses, aber auch entsprechend rudimentäres Tool ist votesUP. Der Autor selbst führt nahezu sämtliche Online-Versammlungen, bei denen geheime Abstimmungen erforderlich werden, mit TED-ME durch, einer Software, welche inzwischen auch als Self-Service Lösung verfügbar ist.

Fazit: Virtuelle Mitgliederversammlungen sind nicht trivial, aber spannend – und sie machen Spaß. Außerdem bieten sie vielen Menschen eine Möglichkeit zur aktiven Teilhabe.

Michael Blatz