Mit etwas „Swing“ geht alles besser – ob es nun Barock- oder Volksmusik ist. Niemand wusste das besser als der große Ernst Mosch, der im kommenden Jahr 100 Jahre alt geworden wäre. Was die Musik seiner „Original Egerländer Musikanten“ so besonders macht, dass selbst ein Originalklang-Pionier der Klassik wie der Dirigent Roger Norrington staunte und wie gut Egerländer „Groove“ und Glenn Miller-Sound zur Wiener Melodienseligkeit eines Robert Stolz passen – das beleuchtet Edda Güntert in zwei neuen Portraits der Reihe „Komponistinnen und Komponisten in der BDB-Musikakademie“.
Glenn Miller (1904–1944) Sternenstaub
Wie eine Spur Mondlicht: Die Klarinette über dem warmen Klang des Saxophonsatzes ist das Markenzeichen seines unverwechselbaren Sounds. Wie Perlen reihen sich seine Welthits, die noch nach Glenn Millers rätselhaftem Verschwinden 1944 den Soundtrack zur Befreiung Europas von der Nazidiktatur liefern, aneinander. Mitreißender Swing, kombiniert mit einer farbenreich-subtilen Harmonisierung und Instrumentation, prägt seine Arrangements der Musik Gershwins, Ellingtons, Schuberts und Beethovens: Inspiration für Bandleader wie James Last und Ernst Mosch – und Udo Lindenberg, der den „Chattanooga Choo Choo“-Sonderzug über die deutsch-deutsche Grenze bis nach Pankow fahren lässt …
„Was ist los, Miller, wollen Sie ewig leben?“, soll der ihn begleitende Offizier noch gerufen haben, als Captain Alton Glenn Miller beim Einstieg ins Flugzeug, das ihn mitten in eisiger, nebliger Nacht am 15. Dezember 1944 von England aus zu Konzerten ins befreite Paris bringen sollte, besorgt nach den fehlenden Fallschirmen fragte. Das Flugzeug verschwand spurlos. Die unter unzähligen Erklärungsversuchen und teils abenteuerlichen Gerüchten lange als gültig vertretene, auf Erinnerungen eines Piloten basierende Theorie, eine von einem abgebrochenen Luftangriff auf Siegen zurückkehrende Fliegerstaffel habe beim für eine sichere Landung notwendigen Bombenabwurf das über dem Ärmelkanal unter ihnen fliegende kleinere Flugzeug Millers getroffen, ist nicht zweifelsfrei belegbar. Die letztgültige Erklärung: Tragflächenvereisung. In dieser Nacht im Kriegswinter 1944 zerstob ein Musikerleben auf der Höhe des Erfolges in Sekunden im Nichts. Die Musik des legendären Bandleaders jedoch wurde zum überdauernden Fixstern amerikanischer und europäischer Unterhaltungsmusik der folgenden Jahrzehnte. Ob Erwin Lehn, Bert Kaempfert, James Last, Max Greger, Paul Kuhn und Horst Jankowski, der Schweizer Pepe Lienhard oder der Niederländer Wil Salden, dessen „Glenn Miller Orchestra“ das europäische Pendant zum amerikanischen Orchester gleichen Namens bildet: Jede Big Band von Format, jede Formation anspruchsvoller Unterhaltungs- und Tanzmusik zählt Glenn Miller bis heute zum Kern-Repertoire – und so mancher dürfte wohl im Musikverein seine erste Begegnung mit der „Glenn Miller Story“ (Titel auch des gleichnamigen Films von 1954 mit James Stewart in der Hauptrolle) gehabt haben.
Der entwaffnende Klang der Freiheit
Die enge Verbindung zum Militär – mit dem Beitritt Glenn Millers zur Air Force 1942 wurde sein Orchester zur American Army Air Forces Band – setzt sich bis heute in den Orchestern der Militärmusik im In- und Ausland fort. Udo Lindenberg, bekennender Fan von „Benny Goodman, Glenn Miller & Co.“ (Verse aus seinem Song „Mein Onkel Joe“), ließ im Jahr 1983 den Chattanooga Choo Choo als „Sonderzug nach Pankow“ über die noch bestehende deutsch-deutsch Grenze rauschen – einer der vielen feinen „Haarrisse“ in einer Mauer, die als letztes monumentales Relikt des Krieges und des Eisernen Vorhangs sechs Jahre später fallen sollte.
Mit seinem „Sonderzug“ knüpfte Udo an etwas an, was Glenn Millers Musik in den Kriegsjahren fest zugewachsen war und worin noch heute die Sympathien wurzeln, die sie gerade in Deutschland genießt: Dieser Sound ist mit Aufbruch und Freiheit verbunden. „There is no expression of freedom quite so sincere than there is in music“, hatte Glenn Miller selbst so schön in einer seiner „Wehrmacht Hours“ gesagt, einer Radiosendung, die er gemeinsam mit einem als „Ilse Weinberger“ vorgestellten „deutschen Frollein“ moderierte. Die befreiende, mitreißende Kraft vor allem seiner Musik wurde in den legendären Radiosendungen der Alliierten bewusst eingesetzt, um deutschen Soldaten und Zivilisten die freiheitlichen Ideale des American Way of Life nahezubringen – und einer möglichen Kapitulation den Weg zu bereiten. „Wehrkraftzersetzung“ der besonderen, musikalischen Art, die ihre Wirkung, wie etwa Paul Kuhn in Interviews erzählte, nicht verfehlte: Zwischen all den faszinierenden Swing- und Jazz-Nummern war auf diesem Weg auch die Wahrheit über den tatsächlichen Verlauf der russischen Front zu erfahren. Nicht nur die deutsche, auch die bereits vor dem Krieg überaus lebendige französische Jazz-Szene erlebte durch die Musik Glenn Millers eine Renaissance. So hatte etwa der bedeutende französische Gitarrist und Komponist Django Reinhardt als zentrale Gestalt des europäischen Jazz und musikalischer Partner z. B. von Duke Ellington bereits 1945 in Paris mit den „Glenn Miller All Stars“ (ehemaligen Mitgliedern des Orchesters) Aufnahmen gemacht – und Millers Sound mit dem typischen „Manouche“ Gipsy Swing verschmolzen.
Ein Sound für die Ewigkeit
Als er 1944 starb, war Bandleader Glenn Miller, der mit seinem Orchester auch in mehreren erfolgreichen Musicalfilmen aufgetreten war, auf dem Höhepunkt seines Erfolges. Mit den sich kraftvoll in kreisend anschiebenden, langsam in die Höhe schraubenden Bewegungen seines Hits „Chattanooga Choo Choo“, für den Miller 1942 die erste Goldene Schallplatte der Musikgeschichte erhielt, kam auch eine beispiellose, unaufhaltbar scheinende Karriere als Chef des erfolgreichsten Orchesters seiner Zeit in Fahrt. Miller war ein Spitzenverdiener im Musikgeschäft, dem von nicht wenigen Neidern Kommerzialisierung des Jazz als salonfähiger „white Jazz“ vorgeworfen wurde. An seinem Aufstieg hatte er jedoch mit einer Beharrlichkeit und unternehmerischen Zielstrebigkeit gearbeitet, die ihn auch als Orchesterchef auszeichnete. Der Perfektionist, der sich als Kind seine erste Posaune mit Gelegenheitsjobs wie Kühemelken verdient hatte, hatte bereits in den 30er-Jahren nach herben Rückschlägen mit früheren Bands an seiner Vorstellung eines unverwechselbaren Sounds getüftelt. Ob es der einzigartige Klang der Klarinette Benny Goodmans war, mit dem er als Posaunist in verschiedenen Formationen musiziert hatte oder – wie die Legende erzählt – der krankheitsbedingte Ausfall eines Trompeters, dessen Part Miller schnell mit der Klarinette besetzte: Mit der über dem Saxophon-Satz samtig schwebenden Klarinette verwirklichte Miller seinen Wunsch nach einer sofort erkennbaren „Persönlichkeit“, einem unverwechselbaren Sound, der mit seinem intensiv vibrierenden Schmelz und seiner sinnlichen Leuchtkraft bis heute für Gänsehaut sorgt und sich als Glenn Miller-Satz in die Musikgeschichte einschrieb. Von der schwärmerisch elegischen „Moonlight Serenade“ (der einzigen Eigenkomposition Millers und Erkennungsmelodie des Orchesters), in der die Klarinette als Stimme der Romantik besonders gut zum Tragen kommt, war der Weg nicht weit zu einer Interpretation von Beethovens zweitem Satz aus der sogenannten „Mondschein-Sonate“ (1942). Wie gut dieser Sound der vielseitigen Musik eines Robert Stolz zu Gesicht steht, wusste bereits in den 70er-Jahren Egerländer-„Bandleader“ und Jazz-Posaunist Ernst Mosch, in dessen Miller-Arrangements selbst Wiener Melodien wie Hits aus dem American-Songbook und im besten Sinne volkstümlich zugleich wirken.
Im Verein mit zündenden, tanzbaren Swing-Rhythmen und harmonisch raffinierten, klangfarbenreichen Arrangements unsterblicher Klassiker aus Jazz und Swing, antwortete diese Musik auf die Sehnsüchte und Hoffnungen ihrer Zeit – und fasziniert bis heute. Zu den vielen Legenden, die sich um Millers Ende ranken, gehört auch die Geschichte von dem mysteriösen Schild, das angeblich 45 Jahre nach dem rätselhaften Nachtflug an einem Baum hängend im Süden Englands gefunden wurde: Miller sei 1944 untergetaucht und habe bis 1989 gelebt.„I never deserved my fame“ seien seine letzten Worte gewesen. Ob nun Legende oder nicht: Diesen „letzten“ Worten wird jeder vehement widersprechen, der je seiner „Moonlight Serenade“, „Tuxedo Junction“, „In the mood“ oder seinem hinreißenden Arrangement von Duke Ellingtons „In the sentimental mood“ gelauscht hat. Allen Geheimnissen und Rätseln zum Trotz – eines ist sicher: Glenn Miller lebt – in seiner Musik.
Glenn Miller, Skizze zu „Moonlight Serenade“ (Dennis M. Spragg, Glenn Miller Collections, University of Colorado Boulder and Gregory Parnell, Glenn Miller Prod., Lake Mary, Florida.)
Ernst Mosch (1925–1999) Grenzenlos gut
Blasmusik der Superlative: Ernst Mosch und seine „Original Egerländer Musikanten“. Das erfolgreichste Blasorchester der Welt – und das erste, das im Klassiktempel Carnegie Hall aufgetreten ist. Chartbreaker mit über 40 Millionen verkauften preisgekrönten Tonträgern, mehr als die Beatles und die Rolling Stones. Legendär Moschs hingebungsvoller Wille zu Präzision und perfektem „Timing“, mit dem er seinem Profi-Orchester einen unverwechselbaren Sound entlockt: Eine hinreißend sangliche Phrasierung, ein streicherweiches Klangbild – und ein zündender „Swing“, mit dem der Jazzposaunist Wiener Melodien im Glenn Miller-Sound zelebriert …
Wer ihn in alten Probenvideos beobachtet, wie er sein Orchester anfeuert, einzelne Partien vorsingt und mit unverwechselbarer Gestik und Mimik Höchstleistung einfordert, wie er wiederholt bei einem nicht präzise genug erfolgenden Einsatz forsch mit „Meine Herrn, net schlofen!“ unterbricht – dem teilt sich vor allem eines mit: Musizieren mit Ernst Mosch war Arbeit. Die stete Wachheit, die es kostet, rhythmische Details mit einer solch präzisen Feinnervigkeit zu gestalten, wie Mosch es einforderte, die Phrasierungskunst, in der der viel gerühmte Melodienschmelz und der authentisch warme Klang der „Original Egerländer“ gründen: All das unterscheidet sich im Kern wenig von dem, was in einem klassischen Orchester, einem Ensemble der Alten Musik oder auch in einem professionellen Chor gefordert wird. Eigentlich kein Wunder, dass die „Original Egerländer“ gerade von einer internationalen Größe wie dem Dirigenten Roger Norrington, der als Originalklang-Pionier mit seinen Schütz- und Bach-Aufnahmen und seinen „unromantischen“ Romantik-Interpretationen die Klassik-Welt aufgemischt hatte, großes Lob erhielten. „Fantastisch musiziert!“, war seine bemerkenswert differenzierte Reaktion auf das Band mit Egerländer Musik, das ihm einst Moschs Nachfolger Ernst Hutter – damals noch Mitglied der Egerländer, klassisch ausgebildeter Posaunist, Jazzer und Mitglied der SWR Big Band – bei einer Konzertreise vorgespielt hatte.
Musik ohne Grenzen
Im Grunde begegneten sich hier beider Erfolgsgeheimnisse, das des Alte-Musik-Experten und des Chefs der Egerländer, dessen Orchester bis heute mit Superlativen bedacht wird: Das Bewusstsein dafür, dass in der Musik Grenzen zwischen „E“ und „U“ nie wirklich so scharf gezogen wurden, wie es oft den Anschein hat und dass Musik sich stets von den unterschiedlichsten Einflüssen, Genres und Stilen nährte. Dass sich barocke und frühbarocke Musik, in der der Tanz eine so zentrale Rolle spielt, besser musizieren lassen, wenn man „swingt“ und ein Gefühl für den „Beat“ hat, ist auch in der Klassik heute kein Geheimnis mehr. So wie in Alte-Musik-Ensembles (z. B. „L’arpeggiata“ von Christina Pluhar) heute Jazz-Musiker mitspielen und es zunehmend Crossover-Experimente gibt (z. B. das Purcell-Beatles-Projekt von Wolfgang Katschners „Lautten Compagney“), so hat auch Ernst Mosch, in den 50erund 60er-Jahren einer der besten deutschen Jazz-Posaunisten im Südfunk-Tanzorchester Erwin Lehns (SWR Big Band), die traditionsgesättigte Musik des Egerlandes mit Jazz- und Swing-Elementen verschmolzen, um das musikalische Erbe seiner Heimat für Gegenwart und Zukunft zu erhalten. Noch heute sind es – mit Ernst Hutter und seinem Nachfolger Alexander Wurz – die musikalisch breit aufgestellten Grenzgänger zwischen den Musikwelten, die in ihrer Offenheit, Experimentierfreudigkeit und ihrem Streben nach Qualität diese Musik lebendig halten und an die nächsten Generationen weitergeben: Ein wahres Geschenk zum 100. Geburtstag Ernst Moschs 2025.
Musik als Heimat
Die grenzüberspielende Kraft seiner Musik ist bei Mosch wohl auch immer als Gegenentwurf zur schmerzlichen Erfahrung des Krieges und seiner Grenzziehungen zu sehen. Vertreibung, Flucht und Verlust bilden den Hintergrund für das sehnsuchtsvolle Beschwören des Egerlandes. Um die Heimat kreisen die meisten der großen Hits der Original Egerländer in einer Melodienseligkeit und tiefen Emotionalität, die ihnen die Begeisterung und Zuneigung von Millionen von Hörerinnen und Hörern auf der ganzen Welt sicherte – und zunehmend auch wieder jüngere Menschen anzieht. Mehrfach ließen die Egerländer als Chartstürmer die Beatles, ABBA, Queen, Phil Collins und AC/DC hinter sich: Ein Welterfolg, der einen Höhepunkt 1966 im umjubelten Auftritt im Klassiktempel Carnegie Hall fand, wo die Original Egerländer als erstes Blasmusikorchester überhaupt auftraten. Noch vor der Wende arbeitete Mosch 1988 mit dem Philharmonischen Blasorchester Prag, 1990 folgte er einer Einladung des Rundfunk-Blasorchesters Leipzig. Bereits 1981 hatte ihn die stete Suche nach den Wurzeln guter böhmischer Musik mit tschechischen Komponisten in Prag zusammentreffen lassen: Auch hier wirkte er mit seiner Musik, für die er mit so herausragenden Arrangeuren wie Franz Bummerl, Gerald Weinkopf und Frank Pleyer arbeitete, über (noch) bestehende Grenzen hinweg. Die enge Bindung an die reiche Musiktradition der Heimat war der Nährboden für Ernst Moschs Erfolg: Verschiedene Volksgruppen hatten im Egerland, das seit Jahrhunderten für seine Blasmusik und auch für seinen qualitätsvollen Instrumentenbau bekannt war, musikalisch ihre Spuren hinterlassen. Lieder, Polkas, Walzer und Märsche – Gattungen, die auch in der Klassik (etwa bei Schubert, Chopin, Strauss, Dvořák und Smetana) prominent vertreten sind – vermitteln in Moschs Werk immer auch etwas von der reichen musikalischen (Volks-) Musiktradition habsburgischer Geschichte. Geboren 1925 in Zwodau (heute Svatava in Tschechien), war der junge Ernst Mosch als Musikinternatszögling auch mit der uralten Tradition des Turm- und Choralblasens aufgewachsen, dieser Wurzel so vieler städtischer Musikvereine, mit der auch Johann Sebastian Bach groß geworden war. Obwohl sich seine musikalische Begabung und Vielseitigkeit – er spielte Flöte, Geige und Flügelhorn, letzteres in einer bekannten Jugendblaskapelle – früh zeigte, arbeitete Mosch zunächst als Maler und Mechaniker, bevor der Krieg ausbrach.
Swing als Brücke zwischen Stilen, Nationen und Generationen
Bei Kriegsende entschied sich Mosch, der sich zuvor als Autodidakt Posaune beigebracht und als Soldat im Musikkorps gespielt hatte, endgültig für die Musik. Wie James Last und viele andere große Musiker und Bandleader der Nachkriegsjahre (Hugo Strasser, Max Greger, Paul Kuhn), die die Kultur der deutschen Unterhaltungsmusik in den kommenden Jahrzehnten prägen sollten, spielte auch Ernst Mosch in amerikanischen Clubs. War Moschs guter Freund James Last einer der besten Bassisten Deutschlands, so wurde Mosch zu einem der gefragtesten Jazz-Posaunisten und Stellvertreter Erwin Lehns im Südfunk-Tanzorchester, aus dem später die SWR Big Band hervorgehen sollte. Mit dem legendären Auftritt einer Egerländer-Besetzung anlässlich des Bundespresseballs 1955 begann eine beispiellose Karriere: 1956 gründet Mosch seine Egerländer, ab 1958 „Original Egerländer Musikanten“ – und damit das erfolgreichste Blasorchester der Welt. Der zwar oft kopierte, letztlich aber doch unnachahmliche Sound brachte eine einzigartige Verschmelzung von Swing und blasmusikalischer Klangkultur zu Gehör, die dem Orchester eine unangefochtene Sonderstellung in der Unterhaltungsmusik sicherte. Welche Versatilität seiner Musik innewohnte, zeigte Mosch besonders eindrucksvoll Mitte der 70er-Jahre: Die Idee, bekannte Wiener Melodien von Robert Stolz – selbst ein Grenzgänger zwischen den Stilen und „ein Liebling von allen Komponisten von mir“ (Ernst Mosch) – in einem Mix von Egerländer und dem berühmten Glenn Miller Sound (Lead-Klarinette über dem Saxophon-Register) zu präsentieren, machte eindrucksvoll deutlich, welch untrügliches Gespür Mosch für die „Wahlverwandtschaften“ bestimmter Musikstile hatte, die er damit auch für verschiedene Hörergruppen zugänglich machte.
Den „König der Blasmusik“, den „Karajan“ des Blasorchesters, hat man Ernst Mosch genannt. Bei aller Kompromisslosigkeit, wenn es um musikalische Qualität und um ein handwerklich einwandfreies Musizieren ging: Immer wieder hat Mosch, der von platinbesetzten Schallplatten bis zum Bundesverdienstkreuz alle nur denkbaren Ehrungen erhielt, betont, dass er sein Orchester „brauche“ und dass es keine „schlechten Musiker, sondern nur schlechte Kapellmeister“ gäbe.
Was im Gedächtnis bleibt, sind seine unbedingte Hingabe und Leidenschaft für eine Musik, die in ihrer Authentizität mehr als ein Denkmal blasmusikalischer Klangkultur ist. Moschs stetem Bemühen, diese Musik in die Zukunft zu führen, antwortet heute eine neue Generation junger Musikerinnen und Musiker, die sich an dieser mit seinem Namen verbundenen Klang- und Spielkultur schulen, um die dadurch gewonnen Qualitäten auch in andere Musikwelten transferieren zu können. Mit ein wenig Egerländer „Groove“ im Rücken lässt sich wohl auch ein Ländler von Anton Bruckner oder Franz Schubert, beide so tief in der volkstümlichen Musik ihrer Heimat verwurzelt, oder eben auch der tänzerische „Swing“ in barocker und klassischer Musik einfach etwas besser spielen: „Das isses, meine Herrn.“
Dr. Edda Güntert
Mit freundlicher Genehmigung von Wolfgang Jendsch, Bundesbeauftragter für Egerländer/böhmische Blasmusik im Bund der Eghalanda Gmoin (BdEG) Egerländer Blasmusik- und Informationsarchiv, Radolfzell; Holger Müller, Schlagzeuger, 1995 bis 1998 Mitglied der Original Egerländer Musikanten unter Ernst Mosch; Karl Graf zu Castell-Rüdenhausen, Journalist, Journalistischer Wegbegleiter von Ernst Mosch, Fotograf.