Die Festivals der BDB-Musikakademie bekommen Zuwachs. Was mit Saxophonia, Clarimondo, Querwind, Hornissimo und Blechrausch im Instrumentalbereich seit vielen Jahren erfolgreich läuft, wird 2024 erstmals auch im Bereich Dirigieren angeboten: Ein Festival der Orchesterleitung, das Dirigierenden auf allen Niveaustufen – vom Einsteiger bis zum Profi – Coaching, Weiterbildung und Impulse zu Literatur und Stilistik sowie methodisch-didaktischen Themen bietet.
Die neue BDB-Musikakademie eröffnet neue Möglichkeiten. Mit welchen zusätzlichen Angeboten die Amateurmusik unterstützt und wie das erweiterte Raumangebot für die Weiterbildung genutzt werden kann – diese Fragen beschäftigten die BDB-Gremien Musikbeirat und Bläserjugend lange vor der Fertigstellung des Gebäudes. Bei der gemeinsamen Klausurtagung kristallisierte sich schnell ein Wunsch heraus: ein Festival für Dirigierende, das analog zu den Instrumentalfestivals alle Niveaustufen vom Einsteiger über den C3-Absolventen und den erfahrenen Autodidakten bis hin zum studierten Profi anspricht und ein breites Spektrum an Fortbildungsmöglichkeiten und Themen anbietet. „Das Motto ‚Lifelong Learning‘ gilt auch und besonders für Dirigierende“, ist sich Bundesmusikdirektor Matthias Wolf sicher. „Wir Dirigierenden haben nie ausgelernt und sind stets gefordert, uns weiterzubilden und weiterzuentwickeln.“ Und dabei meint Wolf Dirigentinnen und Dirigenten auf allen Niveaustufen. „Wir wollen alle ansprechen“, betont Matthias Wolf, der die ersten Ideen gemeinsam mit dem Musikbeirat, vor allem mit dem organisatorischen Leiter des Festivals, Siegfried Rappenecker, zu konkreten inhaltlichen Planungen weiterentwickelt hat. „Dirigierende, die autodidaktisch dirigieren, genauso wie die, die bei uns in der BDB-Musikakademie im C3-Lehrgang ausgebildet wurden, aber auch diejenigen, die studiert haben oder auf hohem Niveau dirigieren, sollen beim Festival ein Angebot finden.“
Verschiedene Festivalkategorien für verschiedene Zielgruppen
Und so wie bei den Instrumentalfestivals wird es auch beim Festival der Orchesterleitung verschiedene Kategorien geben, in denen sich die unterschiedlichen Zielgruppen wiederfinden. Die Kategorie „Dirigieren Basis“ etwa richtet sich an Absolventen aus der „Einführung in die Orchesterleitung“, die auf dem Weg zur einjährigen C3-Dirigentenausbildung sind oder sich eigenständig fortbilden möchten. „Offen für alle steht hier unter der Leitung von David Krause und Thierry Abramovici die dirigentische Basisarbeit im Mittelpunkt“, erklärt Siegfried Rappenecker. Gleichzeitig können die Teilnehmenden dieser Kategorie in die parallel stattfindenden Theorie- und Praxis-Phasen des C3-Lehrgangs reinschnuppern und die für alle offenen Einheiten zu Intonation und Musiktheorie besuchen. In der zweiten Kategorie „Dirigieren plus“ wird Absolvierenden des C3-Lehrgangs und Dirigierenden mit vergleichbarer Erfahrung ein Coaching mit einem Lehrgangsorchester und Werken bis zu Grad 4 angeboten. Unter der Leitung des bewährten Dozententeams Marc Lange und Markus Mauderer können Teilnehmende dieser Kategorie ihre Kenntnisse auffrischen, Anregungen zu den Themen Interpretation, Körpersprache und Kommunikation sowie wichtige Impulse für ihr Dirigat erhalten. Beim Repertoire legen die Kursleiter den Fokus dabei auf das Werk eines ausgewählten Komponisten. Bei der Premiere des Festivals wird der amerikanische Komponist Rossano Galante im Mittelpunkt stehen. Er wird per Video-Call zugeschaltet und den Teilnehmenden persönlich Rede und Antwort stehen und Impulse zur Interpretation seiner Werke geben. Wie Dirigierende Musik zum Klingen bringen – diese Fragestellung steht beim Meisterkurs Dirigieren im Mittelpunkt. Dass es dafür mehr benötigt als das bloße strukturierende Taktieren, das weiß Douglas Bostock nur zu gut. Als Chef- und Gastdirigent bei zahlreichen renommierten Orchestern, unter anderem bei seinen Engagements beim Aargauer Symphonie Orchester, der Tschechischen Kammerphilharmonie und dem Tokyo Kosei Wind Orchestra, hat der Brite unter Beweis gestellt, dass er zu den herausragenden Dirigenten in der Sinfonischen Blasmusik zählt. Und wer den charmanten Weltbürger der Musik einmal live erlebt hat, der weiß, dass es nicht nur sein breites und vielseitiges Repertoire, seine Dirigiertechnik und sein unverkennbarer Stil sind, die ihn auszeichnen. Vielmehr macht ihn die Mischung aus seiner Ausstrahlung, seiner Begeisterungsfähigkeit und seinem Kommunikationstalent zu einer Ausnahmeerscheinung als Dirigent und Pädagoge. Ausstrahlung und Kommunikationsfähigkeit, das sind Eigenschaften, die jedem Dirigierenden zugutekommen. Und so wird Bostock im Meisterkurs ein besonderes Augenmerk auf die Körpersprache sowie auf die Auswirkungen des Körperbewusstseins und der nonverbalen Kommunikation auf den Klang legen. Auch Imagination und klangliche Projektion sowie das Erleben der innerlichen Klangvorstellung und Probenpsychologie werden im Meisterkurs Themen sein, ohne die Dirigiertechnik außer Acht zu lassen. Denn selbstverständlich braucht es beides. Nur im Zusammenspiel aus Dirigiertechnik und Interpretation kann es Dirigierenden gelingen, Musik zum Klingen zu bringen – und das wird sicherlich Douglas Bostocks wichtigste Botschaft an die Teilnehmenden sein. Als Lehrgangsorchester werden das Landespolizeiorchester BW sowie das Freiburger Blasorchester dem Meisterkurs zur Verfügung stehen und für den guten Ton sorgen.
Hospitation bietet niederschwelligen Einstieg
Vor dem Hintergrund, dass sich nicht alle Dirigierenden auf dem Pult exponieren und dem kritischen Blick von Musizierenden und Dozierenden aussetzen möchten, gibt es für den niederschwelligen Einstieg in das Thema Dirigieren zudem die Möglichkeit, an allen Angeboten des Festivals hospitierend teilzunehmen. „Die Idee dabei ist, für Einsteiger die Hürde so niedrig wie möglich und so Lust auf mehr zu machen, in der der Hoffnung, dass sie das nächste Mal als aktive Teilnehmer wiederkommen“, erläutert Matthias Wolf.
Für Interessierte, die an den Werktagen keine Zeit haben, gibt es zudem die Option, am Sonntag ein Tagesticket zu buchen und so individuelle Schwerpunkte zu setzen. Dass sich am Wochenende das Festivalprogramm verdichtet, ist deshalb kein Zufall. Im Gegenteil. „So können die alle Teilnehmenden vom umfassenden Basispaket aus Workshops, Vorträgen und Reading-Sessions profitieren.“ Ob sie hospitierende oder aktive Teilnehmende sind, spielt dabei keine Rolle. So wird es im Basispaket Angebote zur Auffrischung musiktheoretischer Kenntnisse, Einheiten zu Intonation, eine Einführung in das Notationsprogramm Dorico, Workshops zum Thema Klassenmusizieren und zu stilistischen Schwerpunkten geben. Der niederländische Komponist, Arrangeur und Dirigent Peter Kleine Schaars etwa wird sich der modernen Popularmusik widmen und in verschiedenen Workshops die Fragen beantworten, wie Dirigierende ihre Orchester und Ensembles „grooven“ lassen können. Gemeinsam mit Friedemann Stert und dem Ensemble Kaiserstuhl Percussion wird er dabei in einem gesonderten Workshop auch auf die bedeutende Rolle des Schlagzeugs eingehen. Unterdessen wird Berthold Schick am Sonntag die Stilistik der traditionellen Blasmusik und dabei speziell die Polka in den Blick nehmen. Reading-Sessions mit dem Komponisten Otto M. Schwarz und Literaturworkshops mit Markus Mauderer von der WASBE ergänzen das Programm. Wie bei allen anderen Festivals wird auch beim Festival der Orchesterleitung das Freiburger Institut für Musikmedizin mit seinen Dozierenden das Angebot bereichern und im Themenfeld Gesundheit und Musizieren Input geben. Barbara Noe wird auf Haltungsprobleme beim Dirigieren eingehen und Wege aufzeigen, wie Dirigentinnen und Dirigenten lernen, mit Lampenfieber umzugehen. Sigrid Baumann wird darüber hinaus ein Kommunikationscoaching aus überfachlicher Perspektive anbieten und Mona Köppen das Thema „Mimik-Resonanz“ als Mittel der nonverbalen Kommunikation einbringen. „Die Mischung aus fachlichen und überfachlichen Themen ist uns sehr wichtig“, betont Matthias Wolf. Sie macht einen zusätzlichen Reiz des Festivals aus und sorgt dafür, dass sich die Teilnehmenden breit und vielfältig fortbilden können. „Das wird ein Feuerwerk an Themen für alle, die Interesse am Dirigieren haben“, ist sich Akademieleiter Christoph Karle sicher. Neben diesem breiten Bildungsaspekt, dem ein dichtgedrängtes Programm Rechnung trägt, soll beim Festival der Orchesterleitung eine Sache nicht zu kurz kommen: „Das Festival soll auch eine Plattform für Vernetzung und bereichernden Austausch sein“, betont Matthias Wolf. „Wir hoffen, dass das Festival zu einem Treffpunkt für Dirigierende aller Couleur wird und aus ihm – gewinnbringend für die Amateurmusik – viele Synergien hervorgehen.“
Martina Faller