Ein musikalischer Blumenstrauß in einem wandelbaren Raum: Der Probentag des Landesblasorchesters Baden-Württemberg (LBO) war sowohl für das Orchester als auch für die BDB-Musikakademie ein Gewinn. Konnte sich das LBO doch unter exzellenten Bedingungen auf sein Gastspiel in Korea vorbereiten und die BDB- Musikakademie gleichzeitig die akustische Variabilität des Orchestersaals erproben.

Der Probentag in der BDB-Musikakademie stellte das Orchester neben der Arbeit am Zusammenspiel vor die Herausforderung, in unterschiedlichen akustischen Settings zu musizieren. Gleichzeitig diente die Probe dazu, die akustische Variabilität des Saals zu erproben und verschiedene akustische Szenen durch die Platzierung der Vorhänge abzubilden. Das Projektteam MusikRaumAkustik unter der Regie von Dr. Saskia Meißner nutzt diese Erkenntnisse und Erfahrungen, um auch andere Orchester, Chöre und Ensembles bei der Anpassung der Akustik ihrer Probenräume zu unterstützen. Um die Komplexität abzurunden, wurde der Klang von Bauer-Studios aufgenommen. Der produzierte Mitschnitt erlaubt es nun, die Probe aus verschiedenen Positionen im Raum zu erleben.

Die Grafik zeigt:

Die gemessene Nachhallzeit bei einer Bestuhlung für Orchester ohne Personen bei verschiedenen Einstellungen der Vorhänge. Die Nachhallzeit reicht von 1,78 s ohne Vorhänge bis 0,80 s mit vier Vorhängen gemittelt über den Frequenzbereich von 125 Hz bis 5 kHz. Der gefärbte Bereich zeigt die empfohlene Spanne der Nachhallzeit nach ISO 23591 für laute akustische Musik an.

Der Bach-Saal, der größte Saal in der BDB-Musikakademie, ist für die Anforderungen größerer Orchester und Chöre ausgelegt. Geplant, aufgebaut und begleitet von Eckard Mommertz (Müller BBM) fällt sein Grundriss durch die ungewöhnliche Geometrie auf: die Wände sind weder parallel noch rechtwinklig. Dieser Grundriss schafft die Basis für eine gleichmäßige Schallausbreitung im Raum, besonders bei niedrigen Frequenzen. Die Facettenstruktur der Wandverkleidung, die trapezförmigen Fensternischen sowie die Höhenvariation der Decke verteilen den Schall gleichmäßig in alle Richtungen und erzeugen die für Proben nötige Transparenz. Der leere Raum enthält nur wenige schallabsorbierende Elemente, um Chören und kleinen Ensembles eine optimal lange Nachhallzeit für Konzerte bieten zu können. Mit einem Volumen von 1.906 Kubikmetern ist eine optimale Besetzung (siehe Infobox Anforderungen an Probenräume) durch einen Chor oder Sinfonieorchester mit bis zu 125 Personen möglich, die Nachhallzeit passt sich durch die Absorption der Personen an die steigende Schallleistung an.

Bei Blasorchestern ist eine Besetzung mit 38 bis 76 Musizierenden optimal, weshalb das LBO mit seinen 81 Musizierenden den Raum an seine Grenzen führt. Orchesterproben eines Blasorchesters benötigen wegen der deutlich größeren Schallleistung der Instrumente zusätzliche absorbierende Flächen, um die Lautstärke zu begrenzen. Die variable Vorhangausstattung des Bach-Saals durch die Firma Gerriets bietet einmalige Voraussetzungen, sich an die unterschiedlichen Anforderungen anpassen zu können. Die mittlere Nachhallzeit des leeren Saals beträgt 1,8 Sekunden (siehe Messung der Nachhallzeiten) und kann mit vier motorisierten Vorhängen stufenlos auf bis zu 0,8 Sekunden reduziert werden. Gemeinsam mit dem LBO wurden beim intensiven Probentag aus acht verschiedenen Szenen (siehe Raumskizzen) die optimalen Einstellungen der gegenläufigen Eigenschaften Transparenz und Lautstärke gefunden (siehe Infobox Transparenz und Lautstärke).

Die Musizierenden konnten jede Szene nach kurzer Probenarbeit bewerten, während eine neue Einstellung der Vorhänge angefahren wurde. Die Umfrage mit Kriterien zur empfundenen Hörsamkeit und Lautstärke konnte von den Musizierenden an ihrem Platz über einen QR-Code aufgerufen werden, der vor der Probe verteilt wurde. Von 81 Musizierenden wurde die Umfrage von 65 bis 81 Personen beantwortet. Die Umfrage wurde während des Probenbetriebs durchgeführt. Dadurch fand während der verschiedenen Szenen eine Lernkurve der Musizierenden statt. Die Musizierenden kannten die akustischen Eigenschaften des Orchestersaals vor der Probe noch nicht. Die mögliche Spanne der akustischen Eigenschaften wurde daher mit den eingestellten Szenen vermittelt. Dies kann sich auf die Bewertung auswirken, da eine sehr gute Bewertung in der ersten Szene durch eine später eingestellte, subjektiv besser empfundene Szene nicht mehr geändert und so „kalibriert“ werden kann. Dieser Effekt wurde nach dem Probentag von einigen Musizierenden berichtet. Dennoch erlaubt die Auswertung der Umfrage die Szenen in ihrer Qualität für die Proben einzuordnen (siehe Ergebnis der Umfragen „Bewertung der Lautstärke“ und „Bewertung der Transparenz“ im Bach-Saal).

Ergebnis der Umfrage „Bewertung der Proben Situation im Bach-Saal“: Umfrage mit Kriterien zur empfundenen Hörsamkeit und Lautstärke. Die Punkte bei der Umfrage zur Bewertung der Probensituation im Bach-Saal sind der Mittelwert der Antworten. Der Balken an jedem Punkt zeigt die Breite der Streuung der Antworten über die jeweils fünf Antwortmöglichkeiten.

Beschreibung der Szenen

Aus den vielen möglichen Einstellungen der Vorhänge im Bach-Saal wurden die dargestellten Szenen ausgewählt und nach kurzer Probenarbeit von den Musizierenden bewertet. Jede Szene hat ihre eigenen Vor- und Nachteile, auch für verschiedene Gruppen der Musizierenden. Im folgenden ist jede Szene kurz skizziert.

Über den QR-Code kann ein kurzer Ausschnitt aus der Probe in der jeweiligen Szene abgerufen werden, um einen Eindruck von dem Klang zu erhalten. Um den Einfluss des eigenen Raumes beim Leser auszublenden sind Kopfhörer empfehlenswert.

Nachstehend ist links die am schlechtesten bewertete Szene 7, rechts die am besten bewertete Szene 8 zu sehen:

In Szene 1 wurden alle vier Vorhänge (Nord-Ost-Süd-West) in den Raum eingefahren. Dies reduziert die Nachhallzeit des leeren Saals auf 0,80 Sekunden, was die Lautstärke reduziert und zu einem sehr trockenen Raum führt. Entsprechend der starken Dämpfung wird die Lautstärke insgesamt am angenehmsten beurteilt. Die Transparenz wird insgesamt gut bis mittel bewertet, obwohl mit allen Vorhängen kaum alle Instrumente überall gleichmäßig zu hören sein dürften. Hier wurde im Nachhinein berichtet, dass vorab die Vergleichsmöglichkeiten gefehlt haben.

Szene 2 entfernt den Vorhang hinter dem Schlagwerk, um die natürliche Beleuchtung durch die Fensterfront zu ermöglichen. Die Nachhallzeit steigt so auf 0,93 Sekunden an. Die große Fensterfront mit ihren Vertiefungen zu den Fenstern und den trapezförmigen Fensterlaibungen sorgt durch die Reflexionen für eine geringfügig bessere Transparenz. Nachteilig wirkt sich die erhöhte Lautstärke vor allem auf das Schlagwerk aus, das vor der direkten Reflexion seiner eigenen Instrumente steht. Die Umfrage zeigt insbesondere, dass weiter entfernte Instrumente als etwas zu laut wahrgenommen werden.

Szene 3 arbeitet mit nur 2 Vorhängen an der Wand hinter dem Dirigenten und an der etwas längeren, rechten Wand aus Sicht des Dirigenten. Die Nachhallzeit von 1,08 Sekunden liegt ideal im Fenster der empfohlenen Nachhallzeiten für Probenräume nach ISO 23591. Durch die große Zahl der Musizierenden im LBO wird das geforderte Raumvolumen nach dieser ISO jedoch unterschritten, was sich in der empfundenen Lautstärke äußert: Die Szene wird insgesamt zwischen angenehm und zu laut bewertet. Die Transparenz ist geringfügig besser bewertet als in Szene 1 und 2.

Szene 4 entspricht im Wesentlichen der Szene 3, lediglich der Vorhang auf der rechten Seite wurde entfernt und auf der linken Seite eingefahren. Die Nachhallzeit ist mit 1,11 Sekunden geringfügig länger als in Szene 3, da der Vorhang etwas kleiner ist. Der gemessene Unterschied liegt typischerweise im Rahmen der Messunsicherheit und sollte praktisch nicht relevant sein. Dennoch wird die Transparenz etwas schlechter und die Lautstärke höher bewertet.

Szene 5 behält nur noch den Vorhang hinter dem Dirigenten im Raum. Die Nachhallzeit steigt deutlich auf 1,38 Sekunden an, die Lautstärke wird nun durchgängig als laut bis sehr laut bewertet. Die Transparenz leidet unter der hohen Lautstärke. Die Streuung der Antworten zwischen den einzelnen Musizierenden nimmt insgesamt zu, die Akustik scheint zunehmend vom genauen Ort im Raum abzuhängen.

Szene 6 findet im ungedämpften Raum ohne Vorhänge statt. Erwartungsgemäß steigt mit der langen Nachhallzeit von 1,78 Sekunden die Lautstärke auf ein fast unerträgliches Maß an. Die Transparenz leidet noch stärker unter der Lautstärke als in Szene 5, die Streuung der Antworten nimmt noch etwas zu. Die Sprachverständlichkeit für die Ansagen des Dirigenten nimmt durch die Reflexionen im Raum ebenfalls ab, obwohl die Lautstärke der Ansagen zunimmt.

Szene 7 fand mit den gegenüberliegenden Vorhängen hinter dem Dirigenten und hinter dem Schlagwerk statt. Nach kurzem Musizieren wurde die Szene ohne Umfrage verworfen, da die Lautstärke immer noch sehr hoch und die Transparenz als gering empfunden wurde.

Szene 8 mit drei Vorhängen hinter allen Instrumenten und der Wand hinter dem Dirigenten als diffus reflektierendem Element verbindet die Vorteile reduzierte Lautstärke und Transparenz durch diffuse Streuung des Schalls. Die Nachhallzeit ist vergleichbar mit Szene 2 und liegt knapp unter 1 s. Die Lautstärke wird daher ähnlich wie in Szene 2 bewertet, wobei die Szenen 2 bis 4 insgesamt nahe beieinander liegen. Die Transparenz wird mit Abstand am besten bewertet, auch die Ansagen des Dirigenten sind am besten verständlich. Bemerkenswert ist die deutlich geringere Streuung der Antworten. Die Musizierenden sind sich in dieser Szene einig bzw. die Akustik ist im gesamten Raum sehr ähnlich und ausgeglichen. Die Wand hinter dem Dirigenten reflektiert die zentral sitzenden Instrumentengruppen, die gleichzeitig die Instrumente mit der geringsten Schallleistung sind, in das gesamte Orchester zurück. Die Instrumente in den hinteren Reihen, insbesondere das Schlagwerk, wird durch den Vorhang direkt hinter sich in der Lautstärke gedämpft, noch bevor die Reflexion von der Wand das Orchester erreichen kann. Die Ansagen des Dirigenten werden ebenfalls von der Wand hinter dem Dirigenten ins Orchester reflektiert. Die sekundären Reflexionen an den übrigen Wänden werden durch den Vorhang unterdrückt, was die Sprachverständlichkeit erhöht.

Fazit

Als Schlussfolgerung ergibt sich, dass eine angenehme Raumakustik auf der Balance von akustischer Transparenz für gute Hörsamkeit und einer angemessenen Lautstärke im Raum basiert. Der Vorhang hinter dem Schlagwerk und an den beiden Seiten des Orchesters sorgt für ausreichend Absorption des Schalls, sodass die Lautstärke im Raum entsprechend begrenzt wird. Die Wand im Rücken des Dirigenten und die Decke dient als schallreflektierende Fläche, sodass sich die Musizierenden im Orchester gegenseitig gut hören können. Für Probenräume bei großen Orchestern oder in großen Aufführungsräumen wird mit den sehr großen Volumen die lange Laufzeit des Schalls zunehmend ein Problem. Die gezielte Anordnung von diffus reflektierenden Elementen im Bereich des Dirigenten oder über dem Orchester und absorbierenden Elementen bei lauten Instrumentengruppen hilft, diesen Gegensatz aus Lautstärke und Transparenz aufzulösen. Eine variable Akustik ist nicht nur innerhalb des Probenraums nützlich, um den Raum an das Orchester anpassen zu können, sondern erlaubt auch die verschiedenen Anforderungen bei Probe und Konzert abzudecken. Eine Probe erfordert eher einen analytischen Raum mit kurzer Nachhallzeit. Beim Konzert soll der Raum, trotz des zusätzlich absorbierenden Publikums, mit einer langen Nachhallzeit der Musik ihre Fülle verleihen.

Dr. Saskia Meißner, Dr. Arnold Meißner