– Mehr als Marsch und Ufftata –
Von wegen altbacken und eingestaubt: Vorbei ist die Zeit, in der Blaskapellen nur Marsch, Walzer oder Polka in altbackenen Festzelten gespielt haben. Denn Bands wie Meute, LaBrassBanda oder Querbeat füllen mittlerweile Hallen mit ihrer Blasmusik. Aber was macht die Faszination aus?
Tracht und Tradition – daran denken wohl die meisten, wenn sie von Blasmusik hören. Doch Blaskapellen in Uniform, die auf Dorffesten nur Märsche oder Polkas spielen, waren gestern. Heute sind Blasinstrumente längst massentauglich. Ein Grund dafür: Blasmusik ist vielfältiger als alte Klischees suggerieren. Genre-Grenzen werden zunehmend überwunden. Die Hamburger Techno-Marching-Band Meute zum Beispiel ist im House und Techno unterwegs. Mit ihren akustischen Instrumenten übernehmen sie den Job eines DJs, so beschreiben sie selbst ihre Musik.
Brass findet längst auch auf Pop- und Rock-Festivals statt
Aber es geht auch noch mehr Mainstream: Querbeat aus Köln begeistern mittlerweile längst nicht mehr nur zu Karneval. Die 13-köpfige Band macht Brasspop mit Trompeten, Posaunen, Saxophonen sowie Schlagzeug, E-Bass und E-Gitarre. Sie sind nicht nur ein fester Bestandteil des Kölner Karnevals, sondern haben auch schon auf großen Festivals wie dem Parookaville gespielt. Ähnliches gilt für LaBrassBanda, bei denen ihre bayerische Herkunft noch stark erkennbar ist. Ihre Musik beinhaltet aber nicht nur Einflüsse aus der Volksmusik, vielmehr beschreiben sie ihren Sound selbst als „Bayerischen Gypsy Brass“ oder „Alpen-Jazz-Techno“.
Blasmusik kennt keine musikalischen Grenzen
Doch das ist längst nicht alles in Sachen Vielfalt. Hört man sich durch das Repertoire von namhaften Blechblasbands, findet man bekannte Songs aus allen Dekaden des Pop und Rock. Egal ob „Funkytown“ von Lipps Inc., „Shake it off“ von Taylor Swift, „Sexual Healing“ von Marvin Gaye, „Hello“ von Adele, „Schrei nach Liebe“ von Die Ärzte oder „Creep“ von Radiohead – alles scheint möglich. Die Bands interpretieren die Hits auf ihre Weise, beispielsweise mit Posaunen und Trompeten statt E-Bass und Gitarre. Bei Konzerten können die Bands so nicht nur ihr Publikum überraschen, sondern auch zum Mitsingen animieren. Blasmusik neu denken – das ist auch das Motto einer Band aus Rheinland-Pfalz: Die Brassers haben mit ihrer Musik nicht nur den Weltmeister-Titel beim World Music Contest in Kerkrade gewonnen, sondern dieses Jahr auch auf dem Woodstock der Blasmusik in Österreich überzeugt. Dieser Auftritt beim bekanntesten Blasmusik-Festival der Szene ist ein wahr gewordener Traum für die Brassers (weitere Infos siehe in der Infobox). In ihrem Repertoire haben sie Klassiker wie „Rosamunde“, Ballermannhits, „Perfect“ von Ed Sheeran bis hin zu „Roller“ von Apache 207.
Ob jung oder alt: Blasmusik ist für jede Generation
Auf dem Woodstock der Blasmusik haben aber längst nicht nur die Brassers überzeugt. Vier Tage lang haben dieses Jahr rund 80.000 Menschen die Musik gefeiert – Love, Peace & Blasmusik. Seit das Festival 2011 gestartet ist, haben sich die Besucherzahlen eigenen Angaben zufolge verzehnfacht. Dabei zeigt sich noch ein Grund für den Hype um diese Musik: Blasmusik ist generationenübergreifend. Durch die Vielfalt der Musik und den Mix der Stile ist buchstäblich für jeden was dabei. Das ist nicht nur bei Festivals wie dem Woodstock so, sondern auch da zu sehen, wo viele Blasmusiker mal klein anfangen: in Musikvereinen. In vielen Orten in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg gibt es Orchester oder Blaskapellen. Laut der beiden Blasmusikverbände sind es zusammengenommen rund 136.000 aktive Musizierende. Davon fangen viele schon als Kinder an und manche bleiben auch ihr Leben lang aktive Hobbymusizierende. In den Musikvereinen kommen deshalb alle Generationen zusammen und musizieren gemeinsam.
Und apropos musizieren: Es mag offensichtlich sein, aber Blasmusik hat noch einen anderen Vorteil: Blasmusik ist immer hausgemachte Musik. Musikerinnen und Musiker begeistern mit ihren instrumentalen Fähigkeiten durch jahrelanges Üben. Klar, das gilt natürlich auch für andere Genres, wie etwa die Klassik oder den Jazz. Aber gerade in der Blasmusik finden sich viele aktive Hobbymusizierende, die eine besondere Leidenschaft mitbringen. Auf einem Volksfest, einer Kirmes oder bei einem Weinfest löst das mehr beim Publikum aus als der Alleinunterhalter, bei dem die meisten Instrumente nur elektronisch zugespielt werden.
Text: Theresa Berwian