Einmal raus – immer raus aus dem Verein? Nicht in Fessenbach! Der Musikverein dort organisiert zu seinem Jubiläum ein Allstars-Konzert mit Musiker:innen, die dort irgendwann einmal gespielt haben. Der Andrang ist groß, und die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren.

Bei Allstars denkt man eigentlich zuerst an Konsolenspiele oder besondere Events im Sportbereich, wo die alten Herren sich für den Abschied eines Kollegen noch einmal auf den Fußballplatz wagen. Doch auch in der Musik gibt es das. In ganz Deutschland, der Schweiz und Österreich stauben ehemalige Mitglieder des Musikvereins Fessenbach gerade ihre Instrumente ab, um für das Allstars-Konzert der großen 90-Jahr-Feier wieder in Form zu sein. Das Konzept des Konzerts an sich ist einfach: Anlässlich des Vereinsjubiläums soll sich ein Orchester, in dem nur ehemalige Mitglieder des Musikvereins spielen, zusammenfinden. Nach zwei Probenwochenenden im Mai und Juni findet Anfang Juli das Konzert in Fessenbach statt. Doch die Organisation ist dann doch etwas komplizierter, berichtet Uli Litterst. Er ist seit 1971 aktives Mitglied des Musikvereins Fessenbach und hat sich um die Vorbereitung gekümmert. „Schon über ein Jahr vor dem Konzert haben wir mit der Planung begonnen. Ein Jahr vor dem Jubiläum, also im Juli 2022, haben wir die Einladungen verschickt“, berichtet er. „Ich habe etwa 140 ehemalige Mitglieder in Deutschland, der Schweiz und Österreich kontaktiert.“ Per Mail, per Telefon, sogar über die Eltern, die noch in der Umgebung lebten, hat er sich bei den Ehemaligen gemeldet und sie gefragt, ob sie nicht mitspielen möchten. Die Rückmeldung war ungemein positiv: „50 haben zurückgemeldet, dass sie dabei sein möchten“, berichtet Litterst stolz. „Wir haben es sogar geschafft, dass alle Register voll besetzt sind.“ Das ist vor allem daher auch großartig, da im normalen Vereinsalltag immer wieder die eine oder andere Stimme nicht besetzt werden kann. Doch hier sind von jung bis alt, von versiert bis ungeübt, alle wieder dabei – dies freut Litterst und den Verein sehr.

Nach 15 Jahren der zweite Erfolg

Die Idee, ein Allstars-Konzert zu veranstalten, ist beim Musikverein Fessenbach nicht neu. „Zu unserem 75-jährigen Jubiläum haben wir das schon einmal gemacht“, berichtet Litterst. Auch damals, vor 15 Jahren, organisierte er die Proben und das Konzert. „Zuerst haben alle gesagt: ‚Du bist ja verrückt! Das funktioniert nie!‘“, erinnert er sich. Doch dann war es auch damals schon ein voller Erfolg: Ein komplettes Orchester kam zustande, und sie spielten am Ende des Jubiläumskonzerts alle gemeinsam noch eine Zugabe. Als das neunzigste Jubiläum näher rückte, kam das Thema wieder zur Sprache. „Einige meinten zu mir: ‚Wir möchten das noch mal machen!‘ Dann habe ich mich gefragt: Möchte ich das auch noch mal organisieren?“, lacht Litterst. Er willigte ein, und nach der ersten Kontaktaufnahme kam dann die konkretere Planung. Nachdem das Programm festgelegt war, schickte Litterst noch vor Weihnachten die Noten zu den jeweiligen Personen. „Das war ganz schön aufwendig“, erinnert er sich. Denn nicht alle wohnen noch in der Gegend, wo er kurz vorbeilaufen und einen Umschlag mit den Noten in den Briefkasten werfen kann. „Ich habe eine Menge Stunden damit verbracht, die Noten einzuscannen und dann per Mail zu verschicken“, lächelt er. Sogar eine große Excel-Tabelle habe er sich angelegt, um bei den ganzen Namen, Anschriften, Telefonnummern, E-Mail-Adressen und Zu- beziehungsweise Absagen den Überblick zu behalten. „Aber es war den Aufwand wert!“ Der Grund für die Idee war und ist bis heute, dass der Musikverein Fessenbach einen sehr niedrigen Altersdurchschnitt hat. „Jedes Jahr machen wir einen Ausbildungskurs“, erklärt Litterst. „Aber jedes Jahr verlassen uns auch einige wieder, weil sie zum Beispiel studieren gehen. Dadurch haben wir immer wieder einen großen Wechsel und Besetzungslöcher.“ Im Musikverein sprachen sie darüber und stellten fest, dass sie zwar sehr viele Menschen an ihren Instrumenten ausbildeten, diese aber über die gesamte Republik und darüber hinaus verstreut waren. „Wir dachten uns – warum sollten die Leute, die den Kontakt zur Musik vielleicht sogar ganz verloren haben, ihn nicht wiederfinden?“ Vor 15 Jahren haben durch das Allstars-Konzert drei Musizierende den Weg zum Musikverein Fessenbach zurückgefunden. Dieses Jahr hofft Litterst ebenfalls auf Rückkehrende. „Aber die Hauptsache ist, dass alle Spaß an der Musik haben! Das soll ganz eindeutig im Vordergrund stehen.“

Zwei Probenwochenenden und ein Auftritt

Die Teilnehmenden des Projektorchesters kommen aus Hannover, Leipzig, München, Heidelberg, Karlsruhe, Freiburg, aus der Schweiz und natürlich auch aus Offenburg. Damit die Musizierenden des Allstars-Orchesters auch gut gemeinsam üben können, selbst wenn sie so weit verstreut sind, wird es zwei Probenwochenenden geben. Das eine findet Anfang Mai statt, das zweite Mitte Juni. Auch das sorgt für organisatorische Fragen, denen sich Litterst stellt. „Wir müssen ja erst einmal für alle Verpflegung organisieren. Das kennen wir schon von anderen Probenwochenenden. Aber auch Schlafplätze müssen wir organisieren.“ Nicht jeder hat noch Verwandte, die in Fessenbach und Umgebung leben, bei denen er oder sie übernachten kann. Aber es werden sich Lösungen finden, dessen ist sich Litterst gewiss. Ein Mitglied hat sogar eine besonders kreative Lösung gefunden: Er hat einen Campingbus und wird einfach vor der Halle parken, in der sie proben. Was das Orchester so besonders macht, ist, dass sie einerseits eine sehr große Altersspanne haben und andererseits alle im selben Orchester gespielt haben. „Einige kennen sich, aber viele auch nicht“, erklärt Litterst. „Deshalb haben wir am ersten Probenwochenende auch einen bunten Abend organisiert, damit sich alle kennenlernen können. Ich glaube, ich sollte vorher noch Namensschildchen basteln!“ Er ist besonders gespannt auf die Geschichten, die erzählt werden. „Alle haben ja ein gemeinsames Thema, über das sie reden können. Das ist unglaublich interessant.“

Doch nicht nur die Unterschiede im Alter sind signifikant, auch die Unterschiede in der musikalischen Erfahrung: Zwei, die sich angemeldet haben, sind mittlerweile professionelle Musiker, aber andere haben seit Jahren kein Instrument angerührt. „Ein Tubist hat seit 15 Jahren nicht mehr gespielt. Er hat mir erzählt, dass er sich sogar extra eine Grifftabelle heruntergeladen hat, um die Noten für die Stücke gut üben zu können“, berichtet Litterst. Er freut sich über jeden und jede, der bzw. die nach einer Pause ihr Instrument wieder in die Hand nehmen – oder auch ohne Instrument wieder zur Musik finden wollen. „Acht der Angemeldeten haben sogar gar kein Instrument mehr. Wir haben ihnen dann welche aus unserem Bestand gegeben oder von anderen Vereinen ausgeliehen“, berichtet Litterst. Dadurch, dass die Erfahrung sehr stark variiert, ist nun die Frage, ob das Programm so überhaupt spielbar ist. „Das werden wir dann ja beim Probenwochenende feststellen“, lächelt er. Das Programm ist auch sehr bunt: Zwar gebe es auch traditionellere Stücke, aber auch beispielsweise ein Medley von PUR. Mehr soll hier aber nicht verraten werden. Das Programm für das Jubiläum an sich ist auch schon fertig. Am 8. und 9. Juli wird der Musikverein Fessenbach sogar zwei Tage lang feiern. Am Samstag wird die Band „Kranzlers“ auftreten, am Sonntagvormittag sind dann zwei Kapellen an der Reihe, deren Dirigenten ehemals beim Musikverein Fessenbach musiziert haben, der Musikverein Mösbach unter der Leitung von Holger Kelsch und der Musikverein Bohlsbach unter der Leitung von Beni Litterst. Dann das Jugendorchester des Musikvereins Fessenbach und zum krönenden Abschluss werden um 14 Uhr die Allstars Fessenbach spielen – vielleicht sogar in Gruppen-T-Shirts, wie beim letzten Mal. „Mein Shirt von damals habe ich noch“, lacht Litterst. „Das hat unglaublich viel Spaß gemacht.“ Er freut sich schon sehr auf das Probenwochenende und das Konzert. Weil so viele mitmachen, spüre man einfach die Verbundenheit der Menschen mit dem Verein – und Litterst hofft natürlich auch, dass möglichst vielen das Musizieren so viel Freude macht, dass sie das Instrument auch regelmäßig wieder aus dem Schrank holen. Zum Beispiel für die wöchentliche Probe des Musikvereins Fessenbach.

Monika Müller