Die Pilotphase ist gerade erst gestartet, da zeichnet sich der Erfolg des neuen Formats „Wertungsspiel vor Ort“ schon ab. Aus den erhofften drei Anmeldungen sind elf geworden und die ersten beiden Wertungsspiele sind bereits erfolgreich über die Bühne gegangen. Bundesmusikdirektor Matthias Wolf war bei beiden als Juror dabei und kann ein positives Fazit ziehen: „Aus meiner Sicht ist das ein sehr gelungenes Projekt“.

Applaus und Zugaben gehören zu Jahreskonzerten einfach mit dazu. Beim traditionellen Frühjahrskonzert des Musikvereins Harmonie Völkersbach aber kam eine neue Komponente dazu: Spannung. Eingebettet in das abendfüllende Konzertprogramm fand nämlich das erste „Wertungsspiel vor Ort“ des BDB statt. Um eine Teilnahme hatte sich der Musikverein im März beworben und prompt den Zuschlag erhalten. „Ursprünglich hatten wir für die Pilotphase drei Orchester gesucht“, berichtet Matthias Wolf. Stattdessen haben sich im kurzen Anmeldezeitraum von nur einem Monat gleich elf Vereine gemeldet. „Das hat unsere Erwartungen weit übertroffen und uns sehr gefreut.“

Orchester verteilen sich über das ganze BDB-Gebiet

Zwar sind einige Bewerber rausgefallen, weil die Vorgaben nicht erfüllt wurden und das Konzertformat nicht passte – sind doch beim Wertungsspiel vor Ort ausschließlich Vereine aus dem BDB und Saalkonzerte zugelassen. Trotzdem standen am Ende sieben Bewerber auf dem Papier. Obwohl das die geforderte Anzahl deutlich überstieg, beschlossen der BDB-Musikbeirat und das BDB-Präsidium alle, die sich beworben hatten und die Kriterien erfüllten, auch zuzulassen. „Diese sieben Orchester verteilen sich über das ganze BDB-Gebiet, vom Kreisverband Germersheim bis in den Blasmusikverband Hochschwarzwald“, berichtet Wolf. Besonders schön findet er, dass auch Vereine dabei sind, die noch keine oder schon sehr lange keine Wertungsspielerfahrung mehr gesammelt haben.

Der Musikverein Völkersbach entspricht dieser Zielgruppe genau. Schließlich liegt auch bei ihm die letzte Wettbewerbsteilnahme lange zurück. 2010 ist das Blasorchester im Rahmen der 7. Karlsruher Blasmusiktage zum letzten Mal bei einem Wertungsspiel angetreten und hat sich das Prädikat „Mit sehr gutem Erfolg“ erspielt. Aufgrund der langen Abstinenz waren die Vorbehalte beim Thema Wertungsspiel bei den Musizierenden groß und Dirigent Roland Kopp bezweifelte, dass er so kurz nach der Pandemie sein Orchester zu einem „normalen Wertungsspiel“ hätte motivieren können. Das Konzept von „Wertungsspiel vor Ort“ aber überzeugte die Musiker:innen. „Da waren sie sofort dabei“, sagt Roland Kopp.

Das Konzept „Wertungsspiel vor Ort“ überzeugte die Musizierenden

Und so wurde beim Frühjahrskonzert Anfang April im Klosterhofsaal in Völkersbach mitten im Publikum ein Tisch für die beiden Juroren aufgestellt – für beide ebenfalls eine neue Erfahrung. „Wir sitzen bei Wertungsspielen sonst meist für uns auf einer Empore, standen jetzt aber gleichsam ebenfalls unter Beobachtung durch das Publikum“, schmunzelte Juror Markus Mauderer. Beide Seiten, die Musiker:innen genauso wie die Juroren kamen mit der neuen Konstellation indes gut zurecht. Nachdem das Jugendorchester den musikalischen Auftakt gestaltet hatte, eröffnete das Hauptorchester unter der Leitung von Roland Kopp mit dem Konzertmarsch „Arsenal“ von Jan van der Roost sein Konzertprogramm. Direkt danach wurde es ernst. Nahm das Orchester doch mit den beiden aufeinander folgenden Konzertstücken „Imagasy“ von Thiemo Krass und „Schmelzende Riesen“ von Armin Kofler am Wertungsspiel vor Ort teil. Dass bei den Musiker:innen die Motivation hoch und eine gewisse Anspannung vorhanden war, ist für Dirigent Roland Kopp „normal“, schließlich handelte es sich beim Frühjahrskonzert um den Jahreshöhepunkt des Orchesters. Vorsitzende Carina Kunz empfand die Stimmung unter den Musiker:innen aber doch „einen Tick anders“. Geschadet hat die zusätzliche Anspannung offenbar nicht. Denn die Juroren waren einhellig der Meinung, dass der Vortrag des Orchesters das Prädikat „sehr gut mit Stern“ verdiente. Und angesichts des guten Ergebnisses brach die ganze Halle in Jubel aus. „Es war eine Riesenstimmung in der Halle und auch für uns Juroren ein schönes Erlebnis“, fand Matthias Wolf.

Dass die Wertung nicht im stillen Kämmerlein, sondern öffentlich vor Publikum verkündet wurde, kam, laut Carina Kunz, beim Publikum sehr gut an. Beides war ausdrücklicher Wunsch der Verantwortlichen. „Wir wollten unser Publikum nicht hinhalten oder auf die Folter spannen“, erklärte Roland Kopp. Spannend war es für das Publikum aber gleichwohl. Matthias Wolf gab dem Publikum interessante Einblicke in die Bewertung und die zugrunde liegenden Kriterien. „Dank der Reduktion der Bewertungskriterien wird die Bewertung transparent, schlüssig und für jedermann verständlich, selbst für unerfahrene Konzertbesucher“, erläuterte Juror Markus Mauderer.

Für alle Beteiligten eine runde Sache und eine tolle Erfahrung

Und so wurde das Wertungsspiel vor Ort für alle Beteiligten zu einer runden Sache und tollen Erfahrung. „Den Musiker:innen hat es gefallen, dass das Publikum so mitgefiebert hat“, sagte Vereinsvorsitzende Carina Kunz. „Und das Publikum seinerseits war begeistert, dass es das Wertungsspiel und die Verkündigung der Wertung live miterleben konnte.“ Das eigentliche Beratungsgespräch fand indes erst in einer der darauffolgenden Proben statt – eine gute Sache und positive Erfahrung, auch für den Juror Matthias Wolf. „Es gab nicht die übliche Hektik zwischen Jurorentisch und Beratungsgespräch. Vielmehr konnte ich mir die Zeit nehmen und das Gespräch gezielt vorbereiten, um die Musiker:innen mitzunehmen.“ Bei den Musizierenden kam das sehr gut an. „Das Beratungsgespräch hatte etwas Persönlicheres. Es war nicht die übliche Abfertigung in den zehn Minuten zwischen zwei Vorträgen, sondern ein sehr angenehmes Gespräch“, berichtet Carina Kunz. „Die Musiker:innen haben sich total wertgeschätzt gefühlt, dass Matthias Wolf für das Beratungsgespräch extra noch einmal hergefahren ist.“

Zum Gefühl der Wertschätzung hat bei den Musizierenden laut Carina Kunz auch beigetragen, dass das Orchester nicht einfach die Partitur mit angestrichenen Mängeln zurückerhielt, sondern Matthias Wolf ausführlich aufzeigte, wo das Orchester noch Potenzial habe. „Diese neue Sichtweise hat eine sehr positive Stimmung für das Thema Wertungsspiel erzeugt“, ist Carina Kunz überzeugt. In ihren Augen ist „Wertungsspiel vor Ort“ deshalb genau das passende Konzept gegen die Wertungsspiellethargie in den Orchestern. Dirigent Roland Kopp kann das nur bestätigen. Konnte er doch an seinen Musiker:innen den Stimmungswandel beobachten und nachvollziehen, wie sich Vorbehalte gegen das Thema Wertungsspiel in eine breite Akzeptanz verwandelten. Ausschlaggebend waren aus seiner Sicht vor allem zwei Aspekte: die Tatsache, dass das Publikum live dabei ist sowie die Möglichkeit, mit dem Wertungsspiel vor Ort zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. „Die Musiker:innen müssen nicht zusätzlich zum Jahreskonzert noch einmal auf einen Höhepunkt hinarbeiten, was ja manchmal auch gar nicht in die Jahresplanung mit Sommerprogramm, Jahres- und Kirchenkonzert passt“, weiß Roland Kopp. „Schließlich muss alles gut vorbereitet sein.“ Für ihn persönlich allerdings gibt es einen kleinen Wermutstropfen: „Ich kann mir nicht wie sonst beim Wertungsspiel die Beiträge anderer Orchester anhören.“ Diesen Anspruch stellt er aber gerne hintenan. Viel schwerer wiegt für ihn die Einstellung seiner Musiker:innen und die sind einhellig der Meinung: „Das können wir ruhig wieder einmal machen!“

Text: Martina Faller