Ein Stück eines britischen Komponisten von Weltrang zu spielen, das obendrein noch kaum aufgeführt wurde, ist eine große Ehre. Die Teilnehmer:innen des BDB-Musikcamps können sich dieses Jahr auf ein ganz besonderes Werk freuen: The Black Madonna & The Blue Forest von Nigel Clarke. Aber wie kam es dazu und wer ist Nigel Clarke? Hier sind die Antworten.

Die Musik ist etwas ganz Besonderes für Nigel Clarke. „Ich liebe Musik mehr als alles andere“, erklärt er – nur einer der Gründe, warum er sich schon mit 16 Jahren dafür entschied, von der Schule abzugehen und ins britische Militär einzutreten, um dort Musiker zu werden. Der andere hat mit der Schule an sich zu tun, erklärt er lächelnd: „Ich wusste, ich würde in der Oberstufe scheitern. Beim Militär konnte ich Musik machen, also dachte ich mir, warum nicht?“ Auch das Komponieren begann er schon recht früh. „Die ersten Versuche kamen mir unglaublich gut vor, aber sie waren einfach schrecklich“, lacht er. Dann lernte er durch Zufall Leute kennen, die ihm Komponieren beibrachten und studierte an der Royal Music Academy in London unter Paul Patterson. Manchmal fragt er sich aber heute noch: Was wäre aus mir geworden, wenn nicht ein Musiker und Komponist? Er findet: „Wahrscheinlich wäre das nicht besonders schön gewesen!“ In der heutigen Zeit sei es allerdings wesentlich schwieriger, in der Musikbranche erfolgreich zu sein – vor allem in Großbritannien. Er habe damals zwar sehr gut Trompete gespielt, „aber nicht auf dem Level der Berliner Philharmoniker“, sagt er.

Blasorchester – ein faszinierendes Feld für Komponisten

Neben der Welt der professionellen Musiker habe sich auch die Art zu komponieren verändert, seit er damit begonnen habe, gerade im Bereich des Blasorchesters. „Der ganze Klang, was alles heute möglich ist, hat sich sehr verändert. Alles ist viel interessanter als zu der Zeit, wo ich selbst aktiv gespielt habe“, freut er sich. Clarke selbst hat an dieser Veränderung auch einen Anteil: Seine Werke zeichnen sich durch eine moderne Herangehensweise an das Orchester als Klangkörper sowie durch eine programmatische Tonsprache aus. „Ich habe bei jeder Komposition ein Thema oder eine Geschichte als Hintergrund“, erklärt Clarke. „Es ist so einfacher für das Publikum, das Stück zu verstehen. Außerdem habe ich selbst etwas, an dem ich mich bei der Komposition orientieren kann.“ Auch für die Musiker:innen ist das Spielen so wesentlich intuitiver, da man sich genau vorstellen kann, wie eine bestimmte Stelle klingen soll. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Sinfonie The Prophecies of Merlin für Violine und Orchester, die im Juni 2023 in einer Einspielung mit Peter Sheppard Skaerved an der Violine und dem ORF-Radiosinfonieorchester Wien auf CD veröffentlicht wird. In diesem Werk wird in jedem Satz ein anderer Wandteppich beschrieben, auf dem Geschichten über Merlin eingewoben sind. Mit 58 Minuten Länge ist die Sinfonie recht lang, was Clarke auf die Pandemie zurückführt: „Als die Pandemie begann, kam alles zum Stillstand. Ich fragte mich, was tue ich jetzt? Und dann kam ich auf den Wunsch, eine große Sinfonie zu schreiben.“ Als die Pandemiesituation sich etwas entspannte, konnte er die Sinfonie mit seinem guten Freund Sheppard Skaerved an der Violine und dem ORF-Radiosinfonieorchester Wien aufzeichnen, weil das Orchester in der Pandemie mit Abstand und unter Einhaltung aller Regeln weiterproben konnte. „Wäre ich zum Zeitpunkt der Pandemie ein junger Komponist gewesen, hätte es mir wahrscheinlich sehr zu schaffen gemacht. So konnte ich es als eine Herausforderung ansehen“, erklärt Clarke.

Von Kammermusik bis zum Kinderfilm

Clarke schreibt nicht nur Stücke für eine bestimmte Besetzung. „Ich hatte in meiner Karriere immer wieder Phasen, in denen ich hauptsächlich für eine Besetzung geschrieben habe. Während des Studiums Anfang der 80er-Jahre habe ich beispielsweise sehr viel Kammermusik geschrieben, weil das Freunde von mir aufführen konnten“, erklärt er. Diese Abwechslung findet er sehr gut und auch wichtig: „Es ist immer gut, neues zu lernen und sich in verschiedene Richtungen zu entwickeln.“ So hat er auch schon Filmmusik geschrieben: Die Soundtracks der Filme Der kleine EisbärDer kleine Vampir und Der Herr der Diebe stammen teilweise aus seiner Hand. Auch das hat ihm sehr viel Freude bereitet. „Filmmusik hat den besonderen Anspruch, dass man dafür sorgen muss, dass die Geschichte des Films funktioniert“, erklärt Clarke. „Man muss besonders bildlich komponieren.“ Auch, dass alle drei Filme Kinderfilme sind, ist eine besondere Herausforderung. „Musik im Kinderfilm ist wie der dritte Hauptdarsteller in der Szene, der dem Zuschauer erzählt, was gerade in den Charakteren vorgeht – aber das gleichzeitig so subtil macht, dass man der Handlung weiter folgen kann.“

Das Stück, das die Musizierenden beim BDB-Musikcamp von Clarke aufführen werden, ist The Black Madonna & The Blue Forest. Dieses Stück bezieht sich, wie Clarke erklärt, auf die Geschichte der Stadt Halle in Belgien, etwa zwanzig Kilometer von Brüssel entfernt, wo Clarke mit seiner Frau lebt. In der Basilika St. Martinus in Halle steht eine Madonnenstatue aus Metall, die sich über die Jahre schwarz verfärbt hat. Außerdem ist direkt neben Halle der weltberühmte Hallerbos-Wald, in dem jedes Jahr tausende blaue Glockenblumen blühen, die dem Wald den Spitznamen „Blue Forest“ gegeben haben. So kam es zum Titel des Werks. In vier Sätzen beschreibt Clarke die Geschichte der Stadt, die nicht nur von der Basilika und der Heiligenverehrung, sondern auch von Kriegen und Belagerungen geprägt ist. Die Uraufführung des Stücks fand pandemiebedingt erst im November 2021 statt. Seitdem gab es auch keine weiteren Aufführungen – ein Umstand, der dadurch bedingt ist, dass viele Orchester sich nach der Pandemie erst einmal langsam wieder auf den Konzertbetrieb vorbereiten mussten und das Planen und Organisieren Zeit in Anspruch nimmt. Zeit, die sich Martin Baumgartner und sein Team beim BDB-Musikcamp genommen haben.

Wie Baumgartner im Interview erzählt, wollten sie im Sommer 2023 ein Stück einstudieren, das anders ist als vieles, was die Jugendlichen in ihrem Musikverein kennenlernen. „Außerdem hatten wir noch nie ein Stück von einem britischen Komponisten“, erklärt Baumgartner. „Ich kannte Stücke von Clarke bereits und habe sein Stück Gagarin vorgeschlagen.“ Allerdings geht es in diesem Werk um den berühmten russischen Astronauten Juri Gagarin und das Stück endet mit der russischen Nationalhymne – damit war dieses Stück ausgeschieden. „Ich habe dann einfach bei Clarke angerufen und ihn gefragt, was er denn meint, welche seiner Stücke sich sonst eignen könnten.“ Clarke schlug The Black Madonna & The Blue Forest vor und Baumgartner und sein Team waren sofort begeistert. „Es ist nicht so vordergründige Musik, sondern viel subtiler“, schwärmt Baumgartner. „Das ist ein Stück, das in den Proben nach und nach wachsen kann, sodass die Jugendlichen immer etwas Neues entdecken und das Stück auf einer tieferen Ebene verstehen.“ Auch Clarke freut sich sehr, dass sein Stück beim BDB-Musikcamp gespielt wird. „Es ist wunderbar, wenn junge Leute sich so für die Musik begeistern. Ich glaube, durch die Pandemie ist uns klar geworden, was wir für selbstverständlich gehalten haben.“ Um die Teilnehmenden des Musikcamps zu unterstützen, plant Clarke auch, in seinem Urlaub einmal beim Camp vorbeizuschauen. „Musik findet immer einen Weg – und gerade im Musikcamp wird das besonders deutlich. Das muss man unterstützen“, findet er.

Monika Müller

Sei dabei beim Musikcamp und dem Jugendleiter-Sommerkurs 2023!

  • Das Musikcamp 1 (für Jugendliche von 16 bis 27 Jahren) findet statt
    vom 30. Juli bis 4. August 2023.
  • Das Musikcamp 2 (für Jugendliche von 10 bis 18 Jahren) findet statt
    vom 6. bis 11. August 2023.

Info und Anmeldung auf www.bdbmusikcamp.de.

  • Der Jugendleiter-Sommerkurs findet statt
    vom 20. bis 25. August 2023.

Info und Anmeldung auf https://bit.ly/JLsommer2023.

Mehr Infos zu Nigel Clarke gibt es auf www.nigel-clarke.com.