Viele Vereine klagen über die Problematik, dass sie wenig Nachwuchs haben und die Anzahl der Musikerinnen und Musiker stetig sinkt. Auch die Pandemie hat vielen schwer zu schaffen gemacht. Aber wie kann man dagegen ankämpfen? Dem Musikverein Harmonie Niederschopfheim gelingt es, mit effektiver Jugendarbeit und anderen Maßnahmen, die Freude an der Musik lebendig zu halten.

Seit 150 Jahren gibt es Musik in Niederschopfheim, 114 davon hat auch der Musikverein Harmonie Niederschopfheim miterlebt. Vereinsvorstand Johannes Uhl freut sich sehr darüber, dass es schon so lange Musikerinnen und Musiker gibt, die sich zusammenfinden. „Das spricht einfach für unseren Verein, dass es nicht eingeschlafen ist. Es wird leider immer schwieriger, Mitglieder zu finden, die sich ehrenamtlich neben dem reinen Musikmachen engagieren“, bedauert Uhl. Gleichzeitig ist er aber auch stolz auf seinen Verein, denn: „Musikerinnen und Musiker haben wir genug. Durch unsere Nachwuchsarbeit kommen auch immer genug junge Menschen nach.“

Einer der Gründe, warum der Musikverein Harmonie Niederschopfheim keinen Mitgliederschwund zu beklagen hat, ist die Abwechslung, die die Mitglieder erwartet. Immer wieder finden besondere Konzerte statt, wie beispielsweise 2009, als Gastdirigentin Dr. Mallory Thompson aus Chicago für ein Konzert zu Besuch war. Der damalige Dirigent Rüdiger Müller hatte bei ihr studiert und sie dann eingeladen. 2011 wurde der Besuch dann andersherum erwidert und der Musikverein reiste nach Chicago, um dort ein Doppelkonzert zu spielen. Für Uhl war das ein absolutes Highlight. „Mit einem Profiorchester zu spielen, war natürlich etwas ganz Besonderes. Wir waren privat untergebracht und haben dort Kontakte geknüpft, die zum Teil bis heute anhalten“, erinnert er sich. „Es ist immer wieder schön, solche Konzerte gemeinsam zu gestalten“, findet Uhl. „Was man musikalisch mitmachen kann, ist unglaublich.“ Dafür muss auch die Qualität des Orchesters stimmen. Der Musikverein arbeitet nach der Pandemie wieder daran, das Niveau des Orchesters so weit anzuheben, dass sie im nächsten Jahr an einem Wertungsspiel teilnehmen können. „Schon bei der Planung unseres Jahreskonzerts im Dezember hat unser Dirigent Stefan Kiefer darauf Rücksicht genommen“, verrät Uhl. „Da sind ein paar sehr hochwertige Stücke dabei.“ Und nicht nur musikalisch wird viel geboten. Eine Sandmalerin aus Belgien wird am 9. Dezember in der Hohberghalle zu Herr der Ringe live immer wieder neue Sandbilder auf einer großen Glasplatte kreieren – eine Neuheit im Umkreis. „Es ist wichtig, ein Alleinstellungsmerkmal für seinen Verein zu finden“, erklärt Uhl. „Wir machen beispielsweise immer wieder etwas Neues und Unerwartetes.“ Ein besonders wichtiger Aspekt, um den Verein nachhaltig am Leben zu halten, ist und bleibt aber die Jugendarbeit. Niederschopfheim ist mit rund 3.000 Einwohnern ein eher kleiner Ort der Gemeinde Hohberg im Ortenaukreis, daher ist es etwas schwieriger als in einer Metropole, viele Menschen zu erreichen. Jedoch hat die Gemeinde einen großen Vorteil: die persönlichen Kontakte und die Nähe, die die Vereine, die Gemeinde und die Schule zueinander haben. „Wir arbeiten eng mit der Grundschule im Ort zusammen, um möglichst viele Kinder schon früh für die Musik zu begeistern“, berichtet Uhl. „Wir starten in der ersten und zweiten Klasse mit Blockflötenunterricht, in der dritten und vierten Klasse können sich die Kinder dann für die Bläserklasse entscheiden.“ In dieser Bläserklasse erhalten die Kinder 30 Minuten Einzelunterricht und eine gemeinsame Orchesterstunde, sodass sie sich nicht nur selbst individuell verbessern können, sondern auch die Freude am gemeinsamen Musikmachen entdecken.

Vorteile für Eltern und Verein durch Zusammenarbeit mit der Schule

Dabei sind die Instrumentallehrerinnen und -lehrer studierte Musizierende, die freiberuflich arbeiten. Das ist dem Musikverein auch ganz wichtig, um die Ausbildung effektiv und qualitativ hochwertig zu gestalten. „Wenn wir die Profis, also, die Ausbilder, mit den Kindern und Jugendlichen zusammenbringen, klappt die musikalische Ausbildung wesentlich besser“, erklärt Uhl. Der Vorteil der Kooperation mit der Grundschule liegt ebenfalls auf der Hand: „Es kostet wahrscheinlich etwas weniger als in der Musikschule, außerdem müssen die Eltern nicht 12 bis 15 Kilometer zur Musikschule fahren.“ Wenn die Kinder dann in die fünfte Klasse kommen, sind sie offiziell Jungmusiker. Das bedeutet, sie können auch ein Jugendmusikabzeichen in Bronze, Silber oder sogar Gold erreichen, wenn sie sich weiterhin mit der Musik beschäftigen. Außerdem dürfen sie dann im Jugendorchester des Musikvereins mitspielen. Ab etwa 13–14 Jahren können sie dann auch im „großen“ Orchester mitwirken, wenn sie das möchten. „Viele spielen aber parallel noch bei den Jungmusikern weiter“, erklärt Uhl. „Das möchten wir auch, denn die Jüngeren lernen immer von den Älteren. So können die Jüngeren das Wissen der Älteren aufsaugen und später, wenn sie selbst älter geworden sind, auch wieder weitergeben.“

Erfolgreiche Kooperation für bessere Jugendarbeit

Das Jugendprogramm des Musikvereins Harmonie Niederschopfheim ist sehr erfolgreich, berichtet Uhl: „In den Bläserklassen haben wir etwa 7 bis 9 Kinder, bei den Jungmusikern spielen etwa 25 Kinder und Jugendliche.“ Dass es so gut funktioniert, liegt unter anderem auch an der guten Kooperation, berichtet Uhl: „Für den Unterricht brauchen wir ja auch geeignete Räume. Da arbeiten wir sehr gut mit der Schule und der Gemeinde zusammen.“ Gemeinsame Auftritte gibt es auch immer wieder: So hat die Bläserklasse beispielsweise auch auf dem Schulfest gespielt. Außerdem gab es bereits zwei Musicals, die die Grundschule und der Musikverein gemeinsam gestaltet haben – ein absolutes Highlight für die jungen Musikerinnen und Musiker. Zuerst suchten sie vier bis fünf bekannte oder beliebte Musikstücke aus, um die herum sie gemeinsam mit den Lehrerinnen der Grundschule die Theaterszenen des Musicals schrieben. Die Jugendkapelle übernahm den musikalischen, die Bläserklasse und die Grundschule den schauspielerischen Teil. „Das eine Musical haben wir in der Harmoniehalle bei uns im Ort aufgeführt, das zweite im Rahmen unseres Dorffests“, berichtet Uhl. „Die Leute waren absolut begeistert, und den Kindern hat es richtig Spaß gemacht. Es ist auch sehr schön, zu sehen, wie sich aus dem ersten Chaos etwas formt und Gestalt annimmt.“

Mehr Begeisterung bei den Kindern für die Zukunft des Vereins

Zusätzlich dazu findet einmal im Jahr ein Jugendnachmittag statt, an dem die Kinder und Jugendlichen ihr erworbenes Können in Vorspielen präsentieren können. Auch der Verein ist dort vor Ort und kann sich und seine Visionen für die Zukunft interessierten Kindern und Eltern vorstellen. Einige dieser Visionen haben sie sogar in einem Imagefilm festgehalten. „Eine Bekannte des Vereins war Medienstudentin in Offenburg und brauchte ein Thema für ihre Bachelorarbeit“, erklärt Uhl das Zustandekommen des Films. „Wir haben uns dann zusammengesetzt und gemeinsam das Konzept entwickelt.“ Der Imagefilm ist auf der Webseite des Vereins zu finden und ist bis heute etwas, auf das der Verein sehr stolz ist. Aber auch auf Instagram ist der Musikverein sehr aktiv, um für Interessierte erreichbar und nahbar zu sein – natürlich auch für Jugendliche. Denn: „Jugendarbeit ist die Zukunft. Wer das nicht macht, wird es langfristig nicht schaffen“, appelliert Uhl an alle anderen Vereine. „Das ist ein Generationenvertrag: Die älteren machen Musik und kümmern sich um die Feste, die jüngeren tragen den Verein in die Zukunft. Es ist zwar ein großer Aufwand, aber das Resultat zeigt, dass es sich auf jeden Fall lohnt.“

Text: Monika Müller