Um die Existenz und Zukunft von Musikvereinen zu sichern, braucht es neue Wege in der Vereinsfinanzierung. Das unterstrich der 1. BDB-Zukunftsdialog im November 2022 genauso wie die Tatsache, dass eine gute Vereinsfinanzierung auf mehreren Beinen stehen sollte. In der Bandbreite der Konzepte scheint der Aktivenbeitrag – in anderen Sparten der Amateurmusik längst selbstverständlich – in Blasmusikvereinen immer noch ein heißes Eisen zu sein. Aber stimmt der Eindruck überhaupt? Eine Blitzumfrage unter den BDB-Mitgliedsvereinen sollte Aufschluss geben. Die Ergebnisse stellen wir hier vor.
och zunächst einige allgemeine Bemerkungen vorweg: Juristisch gesehen gibt es für Vereinsmitglieder keine allgemeine Beitragspflicht. Jeder Verein kann frei bestimmen, ob er für seine Mitglieder Beiträge erhebt und wie hoch diese ausfallen. Genauso entscheidet er selbst darüber, ob bestimmte Mitglieder beitragsfrei bleiben oder auch, ob die Beiträge gestaffelt werden, beispielsweise nach Alter, Wirtschaftskraft oder für Familien. Wollen Vereine Mitgliedsbeiträge erheben, muss die Satzung des Vereins laut § 58 Nr. 2 BGB entsprechende Bestimmungen darüber enthalten. Diese definieren eindeutig, ob und welche Beiträge die Mitglieder des Vereins zu zahlen verpflichtet sind. Alle eingetragenen Vereine haben in ihrer Satzung eine entsprechende Regelung. Denn ohne eine solche kann
der Verein laut § 60 BGB gar nicht erst eingetragen werden. Was versteht man unter Mitgliedsbeiträgen? Laut Gesetzgebung sind „Beiträge“ nicht zwangsläufig gleichbedeutend mit Geld. Der Begriff bezeichnet vielmehr all jene Pflichten, die ein Mitglied eines Vereins zur Förderung des Vereinszwecks zu erfüllen hat. Mitgliederbeiträge können also neben Geldbeiträgen beispielsweise Aufnahmegebühren, Sach- oder Arbeitsleistungen sein. Und ohne Letzteres geht es ohnehin bei den meisten Vereinen nicht. Finanzieren sich doch viele Vereine zu einem großen Teil aus Festen oder Hocks, bei denen ein hoher Einsatz an Zeit, „Man- oder Womanpower“ gefragt ist. Die Bereitschaft von Vereinsmusiker:innen, tagelang beim Auf- und Abbau zu helfen und/oder mehrere Schichten an der Theke oder am Würstchengrill zu stehen, mitunter dafür gar Urlaub zu nehmen, hat in den vergangenen Jahren spürbar nachgelassen. Nicht von ungefähr sind landauf, landab etliche Feste „gestorben“, damit aber auch Einnahmequellen für Vereine weggebrochen. Ein Aktivenbeitrag kann einem Musikverein deshalb eine gewisse Freiheit und Unabhängigkeit verleihen, wie Alexandra Link bereits im April 2017 in einem Beitrag auf dem Blasmusik-Blog zum Thema Vereinsfinanzierung schrieb. Mit einem Aktivenbeitrag könne sich der Musikverein auf die Musik konzentrieren und müsse sich „nicht mit Dingen beschäftigen, die nichts mit dem Musizieren an sich zu tun haben.“ Mehr noch: Mit einem Aktivenbeitrag sei der Musikverein gleichsam frei „sein musikalisches Jahresprogramm so zu gestalten, wie er will und […] nicht irgendwelchen Zwängen und ‚Pflichtauftritten‘ ausgesetzt“. Es gibt Orchester, denen es genau auf diese Freiheit ankommt und die deshalb einen Aktivenbeitrag einführen, manche Neugründungen sogar von Anfang an. Die Erwachsenenorchester Dacapo und Sonoro des Musikforums Durlach etwa finanzieren sich voll und ganz über einen Aktivenbeitrag. „Das gibt uns die Freiheit, uns auf die Musik und eine professionelle Ausbildung zu konzentrieren“, wie deren Leiter Peter Wüstner sagt. Schließlich sei die Musik das, worum es in der Hauptsache geht. Ein Einzelfall? Sicherlich nicht. Aber blicken wir auf die Ergebnisse der Umfrage, um uns ein Bild zu machen zum Stand der Dinge rund um das Thema Aktivenbeitrag in den BDB-Mitgliedsvereinen.
Das Entweder-oder wird zur Gretchenfrage
Bis zum 20. Januar 2023, 8 Uhr, lagen 151 Antworten vor. Aufgrund der Adressaten der Umfrage – sie wurde über den BDB-Newsletter im Drop-down-Verfahren über die 16 Mitgliedsverbände an die Mitgliedsvereine weitergeleitet – hat das Profil der antwortenden Person klare Konturen: 99,3 % sind in Blasorchestern beheimatet und 113 der 151 Antwortgeber sind entweder Dirigent:in oder Vorstandsmitglied. Von ihnen gaben 34, 7 % an, dass in ihrem Verein bereits ein Aktivenbeitrag erhoben werde. Befragt nach ihrer grundsätzlichen Bereitschaft für ihr Hobby einen Aktivenbeitrag zu zahlen, gaben 70,3 % von 102 Personen an, einen Beitrag zahlen zu wollen. 29,7 % sprachen sich dagegen aus. Die Spanne möglicher Beiträge ist indes sehr groß. Von 72 Personen sind 43,7 % bereit, 5 Euro monatlich zu bezahlen. 29,6 % würden auch 10 Euro pro Monat und 12,7 % sogar 20 Euro monatlich ausgeben. Eindeutig fiel die Frage aus, ob alle Mitglieder den gleichen Beitrag zahlen sollen. Hier sprach sich eine deutliche Mehrheit gegen einen Einheitsbeitrag und für eine Staffelung der Beiträge aus. Als Gretchenfrage der Umfrage entpuppte sich die Frage: Würden Sie lieber einen monatlichen Beitrag bezahlen, anstatt auf einer Veranstaltung/einem Fest Ihres Vereins zu arbeiten? Ausgehend von der von über 70 % der Befragten geäußerten Zustimmung zu einem Aktivenbeitrag eingangs der Umfrage, wäre auch bei dieser Frage ein Votum zugunsten des Beitrags zu erwarten gewesen. Falsch gedacht! Nur 23,3 % würden lieber einen Beitrag zahlen, anstatt zu arbeiten, während 76,8 % auf das Arbeiten bei Festen und Veranstaltungen nicht verzichten möchten.
Ist das die Frage: Vereinsgemeinschaft oder Konsumverein?
Dieser Widerspruch löst sich schnell auf, wirft man einen Blick in die Bemerkungen der Teilnehmenden am Ende der Umfrage. Für die meisten gehören die Arbeitseinsätze zum Vereinsleben einfach dazu. „Feste müssen sein“, schreibt etwa ein Teilnehmer. Warum? Dafür werden mehrere Gründe genannt. Das meistgenannte Argument ist die Gemeinschaft. Das wird von den Umfrageteilnehmenden auch genauso benannt, zum Teil mit recht deutlichen Worten: „Die Idee der „Vereins-Gemein-schaft“ [Anmerkung der Redaktion: absichtliche Schreibweise des Teilnehmers] wird durch einen Aktivenbeitrag untergraben. Das unterstützt nur den kapitalistischen Ansatz, sich mit Geld das Leben zu erleichtern, sich freizukaufen, keine Verantwortung für die Gemeinschaft tragen zu müssen.“ Ins selbe Horn stoßen weitere Teilnehmende: „Die Gemeinschaft in einem Verein entsteht durch ‚gemeinsam etwas erschaffen‘, also auch durch Aktionen überlegen und gemeinsam realisieren. Wenn jetzt immer mehr nur jeder Geld zahlt, dann verkommen wir zu Konsumvereinen, bei denen man sich mit Geld Leistungen einkaufen kann. Gemeinschaft ade.“ Und ein anderer schreibt: „Das gemeinsame Auf-, Abbauen und Arbeiten an Veranstaltungen des Vereines bringt für die Kameradschaft und das Miteinander im Verein deutlich mehr als ein Mitgliedsbeitrag.“ Aus ganz persönlicher Sicht liest sich das in einem anderen Beitrag so: „Für mich persönlich bedeuten die Arbeitseinsätze auf einem Fest Zusammenhalt und Gemeinschaft und es macht mir immer
unheimlich Spaß.“ Dass Musizieren und Arbeitseinsätze im Gleichgewicht sein müssen, bringt eine weitere Stimme ein: „Nicht nur das Musizieren, auch die Arbeitseinsätze schweißen in einem Verein zusammen und fördern das Zusammengehörigkeitsgefühl. Das Verhältnis Musik/Arbeit muss stimmen.“
Für Gemeinschaft und Zusammenhalt braucht es beides: Musik und Arbeit
Genauso wie es nach Überzeugung vieler Teilnehmenden im Musikverein für die Gemeinschaft beides braucht – nämlich Musik und Arbeit – wird die Ansicht vertreten, dass auch die Abwägung Aktivenbeitrag versus Arbeit keine Entweder-oder-Frage, sondern „letztlich beides notwendig ist“. Dabei spielen offensichtlich nicht nur finanzielle Überlegungen eine Rolle. Vielmehr wird der Aktivenbeitrag von nicht wenigen als Angriff auf das Vereinsleben gesehen. „Der Beitrag sollte das Vereinsleben nicht schmälern, indem auf Feste verzichtet wird“, heißt es beispielsweise dazu in einer Äußerung. „Es wäre sehr schade, wenn die traditionellen Veranstaltungen der Vereine, welche für die Vereinsfinanzierung notwendig sind, entfallen würden und durch einen Mitgliedsbeitrag ersetzt werden“, führt eine andere an. „Feste gehören dazu, nicht nur des Geldes wegen, sondern auch wegen der Gemeinschaft, des Zusammenhaltes innerhalb eines Ortes und dem Fortführen von Traditionen.“ Gleichwohl spielen die Vereinsfinanzen in der Diskussion eine Rolle: „Unser Verein braucht das derzeit noch nicht. Ich denke aber, dass das zukünftig ein Thema wird, da die tüchtigen Helfer bei Festen älter werden und die jüngeren sich nicht in diesem Maß engagieren. Somit kann es sein, dass Feste kleiner und kürzer werden. dann muss eine andere Finanzierung gefunden werden, das ist meines Erachtens dann der aktive Beitrag.“ Ein anderer zieht einen Aktivenbeitrag nur dann in Erwägung, „wenn Defizite im Jahresbudget zu erwarten wären“. In anderen Vereinen ist das offensichtlich schon der Fall: „Aufgrund der Pandemie-Jahre ist die Fragestellung auch bei uns im Gespräch. Finanzielle Reserven sind aufgebraucht und müssen wieder erwirtschaftet werden. Ein Aktivenbeitrag könnte ein wenig Abhilfe schaffen.“ Genau das hat ein weiterer Verein schon vor Jahren gemacht: „Wir haben vor zirka acht Jahren den Beitrag für Aktive eingeführt, um die Nebenkosten für den Probenraum bezahlen zu können. Es sind 30 Euro pro Jahr für Aktive ab 18 Jahre und das tragen alle sehr gut mit.“ Über positive Erfahrungen mit dem Aktivenbeitrag berichtet auch ein anderer Verein. „Unser Verein hat den Aktivenbeitrag in Abstimmung mit den Aktiven eingeführt, um dem Orchester den Druck zu nehmen, unzählige Auftritte für wenig Honorar für die Vereinsfinanzierung tätigen zu müssen. Klappt sehr gut!“ Andere wiederum berichten von einem Jahresbeitrag: „Wir haben seit mehreren Jahren einen allseits tolerierten Aktivbeitrag von 50 Euro jährlich, Jugendliche 25 Euro.“ In einem weiteren Verein gibt es einen Beitrag auf freiwilliger Basis: “Es gibt bei uns im Verein viele, die bereits freiwillig einen Jahresbeitrag zahlen.“ Für andere hingegen ist der Aktivenbeitrag tatsächlich immer noch ein No-Go und ein Grund, aus dem Verein auszutreten. „Wenn etwas zur Pflicht wird oder ich bezahlen muss, werde ich austreten!“, untermauert ein Teilnehmer dazu seinen Standpunkt. Ein anderer kündigte unter diesen Voraussetzungen an, sich einen anderen Verein zu suchen. Begründungen für diese Haltung werden ebenfalls geliefert. Kritisch gesehen wird der Aktivenbeitrag vor allem vor dem Hintergrund, dass die Musiker:innen und Ehrenamtlichen ohnehin schon viel Zeit, Engagement und Geld für die musikalische Ausbildung aufbringen. „Man leistet bereits viel Arbeit für den Verein in ehrenamtlicher Form. Daher sollte ein Beitrag, wenn überhaupt, nur sehr gering sein“, heißt es dazu. „Diesen Beitrag müssten auch Jugendliche entrichten. Damit wäre die Ausübung von Musik im Verein nur noch etwas für Begüterte. Dies sollte nicht die Absicht eines Vereines sein. Die musikalische Ausbildung ist eh schon teurer und zeitaufwendiger als eine sportliche Betätigung auf Freizeitniveau.“ Die Bandbreite der Meinungen und Standpunkte zum Thema Aktivenbeitrag, wie sie sich in der Umfrage widerspiegelt, findet sich auch in den Vereinen. Ein Statement bestätigt das: „Die Streuung an Meinungen zu dieser Frage ist sehr breit: Von Musikern, die bei Einführung eines Aktivenbeitrags auch nach über 40 Jahren aktiven Musizierens den Verein sofort verlassen würden, bis zu einer Toleranz eines monatlichen Beitrags ohne Probleme! Das macht es schwierig – vor allem wenn man dünner besetzt ist!“ Die Angst, mit der Einführung eines Aktivenbeitrags Musiker:innen zu verlieren, artikulieren auch andere Teilnehmende. „Es gibt schon zu wenige Aktive. Sollen es noch weniger werden?!“, fragt eine Stimme. Wie aber ist es um Musiker:innen bestellt, die um der Musik willen im Musikverein sind, die aus den unterschiedlichsten Gründen ein Problem mit vielen Auftritten und Arbeitseinsätzen haben? Auch dieser Standpunkt findet sich in der Umfrage wieder: „Die Anforderungen von Musikvereinen (regelmäßige Auftritte und teils mehrtägiges Mithelfen) entsprechen meiner Lebenswirklichkeit nur begrenzt. Ich finde es gut, über neue, flexible Modelle der Beteiligung nachzudenken. Ich fände es gut, wenn es einen Erfahrungsaustausch dazu gäbe.“ Diesen anzustoßen und den Aktivenbeitrag ins Gespräch zu bringen, war Sinn und Zweck der Umfrage. Darüber hinaus hat sie bestätigt, dass die Diskussion um den Aktivenbeitrag zwar kein Tabu und heißes Eisen mehr ist, aber zum Teil immer noch sehr emotional geführt wird. Er wird als Angriff auf das Vereinsleben und die Gemeinschaft verstanden und löst die existenzielle Angst aus, Musiker:innen zu verlieren und nicht mehr spielfähig zu sein. All dies hat seine Berechtigung und sollte ernst genommen werden. Ein Erfahrungsaustausch und positive Beispiele von Vereinen, die den Aktivenbeitrag erfolgreich eingeführt haben, können aber helfen, diese Ängste zu überwinden und sich auf den Weg zu machen. Denn die Lebenswirklichkeiten der Menschen ändern sich genauso wie die Anforderungen und Herausforderungen für Musikvereine. Diesen Entwicklungen gilt es, sich anzupassen, mit kreativen Lösungen und neuen Konzepten. Der Aktivenbeitrag könnte eines davon sein.
Martina Faller