In den Verbandsnachrichten der Februar-Ausgabe der BDB-Zeitschrift blasmusik stach eine Meldung aus dem Acher-Renchtal-Musikverband besonders ins Auge: Zwölf Erwachsene haben dort das Erwachsenen-Leistungsabzeichen abgelegt, zehn in Bronze und zwei in Silber. Mehr als die Hälfte der Absolventen kommt vom Musikverein Lauf – eine Bilanz, auf die der Musikverein Lauf stolz sein kann und die Grund genug ist, einmal nachzufragen.
Die Idee zu einer Erwachsenenbläserklasse köchelte beim Musikverein Lauf schon zwei Jahre lang vor sich hin, als das Konzept begann, im Verband Schule zu machen und auch der Musikverein Lauf die Initiative ergriff, die lang gehegte Idee in die Tat umzusetzen. Keinesfalls aus einer Not heraus, wie Volker Lang im Zoom-Interview betont. Schließlich ist der Musikverein Lauf ein großer, intakter Verein mit rund 60 Aktiven und 90 Kindern und Jugendlichen in der Ausbildung und einem durchgängigen Ausbildungskonzept, das über Angebote in den Bereichen musikalische Früherziehung, Rhythmik, Blocköte und Bläserklasse jedes Jahr etliche Kinder ans Instrument bringt. Und seit fünf Jahren nun eben auch Erwachsene. „Wir wollten einfach mal was anderes anbieten“, erklärt Lang. Der ehemalige Vereinsvorsitzende hatte die Organisation der Erwachsenenbläserklasse übernommen und das Projekt auf den Weg gebracht. Die Flyeraktion mit dem Slogan „Es ist nie zu spät ein Instrument zu lernen“ schlug ein in Lauf und erzielte eine große Resonanz. „Insbesondere von Menschen, die dem Verein schon nahestanden“, erzählt Simon Wolf. „Und vom 30- bis 65-Jährigen war da alles mit dabei.“ Simon Wolf muss es wissen, denn er war selbst ein Mann der ersten Stunde. Für den jungen Familienvater kam die Erwachsenenbläserklasse nämlich genau zum richtigen Zeitpunkt. In seiner Jugend hatte er bei seinem Heimatverein, der „Harmonie“ Mönchberg, Trompete gespielt, dann aber aufgrund von Umzug, Zivildienst, Studium und Familiengründung rund 15 Jahre lang pausiert. „Die Kollegen haben mich in der Arbeit so lange bequatscht, bis sie mich so weit hatten, dass ich wieder anfangen wollte.“
Beste Gelegenheit für den Wiedereinstieg
Die Erwachsenenbläserklasse mit ihrem Konzept aus wöchentlichem Einzelunterricht und Bläserklassenstunde bot ihm dazu beste Gelegenheit. „Nach einem halben Jahr war ich auf der Trompete wieder so t, dass ich ins Hauptorchester wechseln konnte“, berichtet er. Zwei Jahre später legte er auf der Trompete das Erwachsen-Leistungsabzeichen (ELA) in Bronze, 2022 das silberne Abzeichen und 2023 zusätzlich – weil sein Sohn mit dem Tenorhorn anfing – das bronzene Abzeichen auf dem Tenorhorn ab. „In meinem Heimatverein bot sich damals nicht die Gelegenheit, das Jungmusiker-Leistungsabzeichen (JMLA) abzulegen. Als das ELA jetzt angeboten wurde, wollte ich nach dem Wiedereinstieg wissen, ob ich es denn überhaupt kann“, sagt Simon Wolf. „Außerdem war es ein guter Ansporn zum Üben zu Hause.“ Durchgestartet ist Simon Wolf indes nicht nur musikalisch. Nach einem Jahr wurde er als Beisitzer in den Vorstand gewählt, inzwischen ist er Musikervorstand. Von den ersten 14 Teilnehmenden der Erwachsenen-Bläserklasse war Simon Wolf anfangs der einzige Wiedereinsteiger. Später sind noch weitere dazugestoßen, die die Erwachsenenbläserklasse als Sprungbrett für das Hauptorchester nutzten. Inzwischen konnten schon fünf Neu- und Wiedereinsteiger:innen ins Hauptorchester übernommen werden, die sechste steht in den Startlöchern. „Bei unserer Orchestergröße entspricht das immerhin einer Quote von zehn Prozent. Das ist doch ordentlich! Und nächstes Jahr kommt wieder ein großer Schwung dazu“, freut sich Holger Lietzenmaier, der musikalische Leiter der Erwachsenenbläserklasse. Der Dirigent hat höchsten Respekt vor seinen Musiker:innen und dem Einsatz, den sie bringen. „Das ist sehr beachtlich, dass alle trotz hoher Terminbelastung neben Beruf, Kindern und pflegebedürftigen Eltern jede Woche rund 1 ½ Stunden in die Musik investieren.“ Die Motivation und das Verantwortungsbewusstsein der Musiker:innen sind groß, weiß Lietzenmaier. „Ich kann mich auf alle verlassen, alle sind zuverlässig und höchstmotiviert.“ Bestes Beispiel: „Es gab niemanden, der die Probe zugunsten der Fastnacht ausfallen lassen wollte.“ Und auch grundsätzlich kann sich der Probenbesuch mit durchschnittlich 75 % sehen lassen.
Die Erwachsenenbläserklasse schreibt Geschichten
Die schönste Geschichte der Erwachsenenbläserklasse aber hat für Holger Lietzenmaier der Tubist des Musikvereins Lauf geschrieben. „Unser Tubist hat über die Erwachsenenbläserklasse seine Eltern mit in den Verein gebracht, den Vater als Wiedereinsteiger auf der Trompete und die Mutter als Neueinsteigerin auf der Posaune. Und alle drei sind fleißig dabei“. Auch Simon Wolf hat seine Familie mit dem Blasmusikvirus angesteckt. Seine Frau ist „von null“ mit der Querflöte eingestiegen und hat nach zwei Jahren nun das bronzene Abzeichen absolviert und auch der Sohn lernt bereits ein Instrument. Aktuell sind 19 Musizierende in der Erwachsenenbläserklasse, die mit vier Querflöten, drei Klarinetten, vier Trompeten, zwei Tuben, mit Posaunen, Fagott und Schlagzeug ein eigenes Orchester bildet. „Wir sind mit einer tollen Besetzung gesegnet“, findet Lietzenmaier. Nach den Anfängen mit „Essential Elements“, dem Yamaha Bläserklassenheft, werden jetzt schon Grad 2+-Stücke gespielt. „Wir kommen gut voran und man sieht eine Entwicklung“, berichtet Holger Lietzenmaier. Sein Ziel ist eine effektive Probenarbeit, damit die Musizierenden in der Probe etwas lernen können und Spaß am Musizieren haben. Wenn er in der Probe die Freude am Musizieren in den Gesichtern seiner Musiker:innen ablesen kann und hört, wie sie einen Ohrwurm pfeifend nach Hause gehen, dann hat er in seinen Augen alles richtig gemacht.
Wichtige Säule im System: die gegenseitige Unterstützung
Eine große Herausforderung für ihn als musikalischen Leiter ist das unterschiedliche Leistungsniveau innerhalb der Erwachsenenbläserklasse. Gleichzeitig macht es genau dieser Mix vielfältig und bunt. Mehr noch: Laut Lietzenmaier ist die gegenseitige Unterstützung eine wichtige Säule im System. Manchmal fragt er im Jugendorchester um Unterstützung für die Erwachsenen an, weil er weiß, dass man schneller und leichter lernt, wenn man sich an jemanden dranhängen kann. Ansonsten wird aber geprobt mit denen, die da sind und die Besetzung nur für Auftritte aufgefüllt. Überhaupt ist die E-Klasse fest in den Verein integriert, mit einem Beisitzer im Vorstand vertreten und eingeladen, in der Organisation mitzuarbeiten und mitzugestalten. Beflügelt vom Erfolg der ersten Erwachsenenbläserklasse hat der Musikverein jüngst die zweite ausgeschrieben. Zwar haben sich da längst nicht so viele Interessenten gemeldet, für die Organisatoren steht dennoch fest: „Wir machen auf jeden Fall weiter, auch mit einem kleineren Ensemble!“
Martina Faller