Eine Frau, die ihr Leben der Musik widmen wollte, hatte über Jahrhunderte nur die Wahl zwischen Himmel und Hölle: Allein im geistlichen Stand als Nonne oder am Rand der Gesellschaft als Kurtisane (eine künstlerisch tätige Frau galt noch bis über das 18. Jahrhundert hinaus als “moralisch fragwürdig”) war es ihr in der öffentlichen Wahrnehmung möglich, sich Dingen zuzuwenden, die im allgemeinen als für Frauen “unschicklich” angesehen wurde. Als uneheliche Tochter einer Hausangestellten hätte das musikalisch hochbegabte Mädchen daher allzu leicht im Dunkel der (Musik-)Geschichte untergehen können, wäre da nicht der Vater gewesen: Selbst unehelicher Spross einer hochadligen Familie und angesehener, bestens vernetzter Dichter, Librettist und Freund Claudio Monteverdis unterstützte Giulio Strozzi seine begabte und charismatische Tochter nach Kräften. Mit der eigens für sie gegründeten “Accademia degli Unisoni” schuf er ihr ein häusliches künstlerisches Forum, in dem sie ihre vielgerühmte virtuose Gesangskunst und Ihr Wissen zur Bewunderung der Intellektuellen Venedigs unter Beweis stellen und weiter ausbilden konnte.

Barbara Strozzi schafft, worum noch Fanny Mendelssohn im 19. Jahrhundert bitter ringen muss und Emilie Mayer wesentlich dank der Unterstützung ihres Vaters und weitsichtiger Förderer gelingt: Die Musik in den Mittelpunkt ihres Lebens zu stellen und sich – allem anzüglichen Spott zum Trotz – in der Männerdomäne Musik zu behaupten. Als Kompositionsschülerin Francesco Cavallis veröffentlicht sie mit 25 Jahren ihre ersten Vokalwerke: Selbstbewusst setzt sie ihren eigenen Namen unter ihre über hundert Kompositionen, die dank ihrer Beharrlichkeit auch tatsächlich gedruckt werden. Dass die Stimme im Mittelpunkt ihrer Arien, Madrigale und Kantaten steht, ist gewiss ihrer eigenen häuslichen Musizierpraxis als Berufssängerin geschuldet – und vermittelt dem faszinierten Hörer doch so viel mehr: Allein mit der Stimme, der sie in Koloraturen, jähen Sprüngen und Dissonanzen einiges abverlangt, lotet die “virtuosissima cantatrice” Barbara Strozzi in einer Unerbittlichkeit und furchtlosen Neugier Gefühlswelten in einer zugleich berührend persönlichen und packend kühnen Musiksprache aus, die sich ganz im Sinne der sog. “seconda prattica” in den Dienst des vertonten Textes stellt. Eine weite Amplitude zwischen Glück und Leid in der Liebe, in die sicher auch ihre ganze Lebenserfahrung einfließt. Ob sie eine Kurtisane war, wie das sie – vermutlich – zeigende, in der Staatlichen Kunstsammlung Dresden (Gemäldegalerie Alte Meister) zu bewundernde Portrait von Bernardo Strozzi (kein Verwandter von ihr) nahelegt? In der Frau, die mit festen Griff die Gambe hält und uns als Göttin Flora, als Allegorie der Musik, als Künstlerin, Frau, Geliebte und Mutter sehr präsent, “frei-zügig” und gelassen ins Auge blickt, kann man tatsächlich Barbara Strozzi sehen: Blumen, Schmuck und Musikinstrumente als Zeichen einer ebenso natürlich reich begabten wie professionellen Künstlerin, deren starke, leidenschaftliche Stimme man so schnell nicht wieder vergisst.

Text: Dr. Edda Güntert

Autograph

Barbara Strozzi, Arie für Sopran und basso continuo “Havete torto à fè”. Abschrift in einer
Sammlung von Kantaten und Arien verschiedener Komponisten. Venedig, um 1680.

Universitätsbibliothek Kassel
Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel
2° Ms. Mus. 34, 56:26r

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